Bildungswerkstatt

Bildungsmonitoring VIII:
Bildungsziele mit Kennzahlen und Indikatoren messbar gestalten

Bildungspolitische Forderungen gehen schnell über die Lippen. Etwas mehr Zeit benötigt es dann schon, die Ansprüche und Vorstellungen unterschiedlichster Akteure in eine abgestimmte Gesamtstrategie zu gießen. Selten wird dabei mitgedacht, was benötigt wird, um die Erreichung dieser Ziele abbilden zu können. Um sich darüber auszutauschen, ob und wie Bildungsziele konkret überprüft werden können, lud TransMit interessierte Mitarbeiter/innen aus den mitteldeutschen Transferkommunen am 27. Februar 2018 in die Franckeschen Stiftungen nach Halle ein.  

Bildungsziele messen?

Im Amerika-Zimmer der Franckeschen Stiftungen tehamtisierte unsere Bildungswerkstatt, ob und wie sich das Erreichen von Bildungszielen überprüfen lässt.

Bildungspolitische Zielstellungen gleichen einem bunten Blumenstrauß. So könnte das Fazit einer ersten Annäherung an das Thema lauten. Die Teilnehmenden der Bildungswerkstatt wurden zunächst  gebeten, einige Bildungsziele festzuhalten, die sie aus ihrer Kommune kennen. Binnen kurzer Zeit wurden in der Gruppe zahlreiche Ziele gesammelt, die von der Herstellung von Transparenz, der Ermöglichung von Inklusion über eine bessere Gestaltung des Übergangs Schule-Beruf bis hin zur Senkung der Schulabbrecherquote reichten. Hier wurde deutlich, dass bildungspolitische Ziele mannigfaltig sind: Sie richten sich auf ganz unterschiedliche Gegenstände und adressieren verschiedene Ebenen.

Aufgabe in den nächsten Stunden war es nun zu diskutieren, ob und wie diese Zielvorstellungen durch ein Bildungsmonitoring überprüft werden können und gemeinsam zu überlegen, wie die gewonnenen Ergebnisse Relevanz für politische Entscheidungen entfalten können.

Vom idealtypischen zum machbaren Indikator

In seinem einleitenden Input ging Michael Brock von TransMit darauf ein, was Mitarbeiter/innen aus dem Bildungsmonitoring beachten sollten, wenn sie von Politik und Verwaltung aufgefordert werden, die Erreichung bildungspolitischer Ziele der Kommune zu überprüfen. So müsse zunächst geklärt werden, ob alle Beteiligten unter dem Ziel und den darin genutzten Begriffen überhaupt das gleiche verstünden. Auch müsse realistisch eingeschätzt werden, dass perfekte Messungen kaum möglich seien. Außerdem ließen sich die von den Verantwortlichen vielfach eingeforderten Auskünfte über Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge zwischen Maßnahmen und beobachteten Veränderungen mit den Mitteln eines kommunalen Bildungsmonitorings empirisch nie exakt bestimmen.

Überhaupt müsse vor der Messbarmachung von Bildungszielen zunächst geklärt werden, ob die Ziele denn messbar sind. Komplexe Gegenstände, wie etwa die Qualität von Schulsozialarbeit, ließen sich mit den Mitteln der quantifizierenden Sozialforschung nur schwer abbilden. Hier könnten offenere Herangehensweisen, wie etwa leitfadengestützte Interviews mit den Durchführenden und Adressierten von Schulsozialarbeit, erfolgversprechendere Ergebnisse hervorbringen. 

Gerade weil Indikatoren für Bildungsziele unter den Bedingungen eines kommunalen Bildungsmonitorings selten ihren hohen theoretischen und praktischen Ansprüchen gerecht werden und sich daraus eine besondere Achtsamkeit bei der Interpretation und Diskussion der erzielten Ergebnisse ableitet, sei es besonders wichtig, so Brock, die Möglichkeiten und Grenzen der eigenen Indikatoren genau zu kennen.

Da sich die Probleme des eigenen Instrumentes vor allem an der Differenz zum Ideal zeigten, sei es hilfreich zunächst prototypische Indikatoren zu entwerfen. Im nächsten Schritt müsse dann geschaut und kritisch geprüft werden, ob oder unter welchen Einschränkungen diese idealtypischen Indikatoren vor Ort umzusetzen seien. Dabei können durchaus verschiedene Indikatorisierungen nebeneinandergestellt und ihre jeweiligen Vor- und Nachteile erörtert werden.          

In der anschließenden Diskussion wurde zunächst auf die Kontextualisierung der Zielentwicklung eingegangen. Dabei wurde hervorgehoben, dass in der Kommune oft an mehreren Stellen parallel an ähnlichen Zielen gearbeitet würde. Für eine kohärente Entwicklung von Zielen müssten diese verschiedenen Prozesse erst zusammengebracht und zu einem Leitbild verknüpft werden, was als große Herausforderung wahrgenommen werde. Bei der Überprüfung von bildungspolitischen Zielen sei auch die adressatengerechte Übersetzung der Ergebnisse besonders wichtig.

Politik arbeite nach anderen Regeln als das Bildungsmonitoring. Während hier versucht würde, Prozesse und Ergebnisse ausführlich darzustellen, interessierten sich Politiker/innen selten für Details sondern für konkrete Erfolge. Zwischen diesen unterschiedlichen Perspektiven zu vermitteln und bei der Überprüfung von Zielen immer schon den Verwendungszusammenhang der Daten mitzudenken, seien wichtige Aufgaben, die das Bildungsmonitoring und das Bildungsmanagement nur gemeinsam bearbeiten könnten.

Praxiserfahrung aus dem Kreis Lippe

Am Nachmittag wurde das Thema durch den Beitrag von Dr. Claudia Böhm-Kasper aus einer praktischen Perspektive beleuchtet. Die studierte Erziehungswissenschaftlerin ist seit 2009 im Kreis Lippe zunächst im Bundesprogramm „Lernen vor Ort“ und nun im Fachdienst Bildung für das Bildungsmonitoring zuständig.

So wurde vor einigen Jahren der Wunsch der Kreisverantwortlichen laut, neben den Bildungsberichten und ad-hoc-Analysen die Entwicklung in den neun Handlungsfeldern des Bildungsmanagements auf einem Blick einsehen zu können. Mittlerweile ergänze der entstandene und jährlich erscheinende „Faktencheck Bildung“  die Produkte des Bildungsmonitorings und zeige mit einer klaren Ampelsystematik Veränderungen in den Handlungsfeldern anhand von ausgewählten Kennzahlen.

Der Faktencheck schien bei den Teilnehmenden sehr gut anzukommen, da viele schon länger über ein anschauliches Ampelsystem nachdenken. Selbst wenn das Bewertungssystem nicht konsensfähig in der Kommune wäre, so biete es nach Böhm-Kasper Gesprächsanlässe. Man solle sich aber vergegenwärtigen, dass die Auswahl der Indikatoren immer im engen Zusammenspiel mit dem Bildungsmanagement, der Leitungsebene und vielen relevanten Akteuren abgestimmt werden muss. Der Weg sei also mühevoller, als es das Ergebnis vermuten lasse.

Das Problem mit der Problembelastung

Um den inhaltlichen Input gleich in der Praxis umzusetzen, wurden die Teilnehmer/innen anschließend gebeten, sich einer von zwei Gruppen zuzuordnen. In beiden Gruppen bestand die Aufgabe darin, anhand eines fiktiven Falles vorgegebene Indikatoren zu einem bildungspolitischen Ziel zu prüfen und gegebenenfalls alternative Indikatoren zu entwickeln. Ob es um die Senkung der Problembelastung in Gymnasien durch Schulsozialarbeit oder die Erhöhung der berufsbezogenen Fertigkeiten bei Neuzugewanderten ging, die Aufgabe war keineswegs einfach.

Erste Fragen kamen schon bei der Definition der Zielgruppe Neuzugewanderte auf. Sollte man sich eng am Begriff orientieren und alle ausländischen Personen, die ab einem bestimmten Stichtag nach Deutschland kamen, betrachten? Oder müsste der Begriff aufgeweicht und der Blick auf Personen mit Migrationshintergrund oder Ausländer/innen allgemein gerichtet werden?

Die zweite Herangehensweise hätte den Vorteil, dass sich die kommunalen Daten nach diesen Zielgruppen differenzieren ließen. Und auch beim Versuch der Messbarmachung der Problembelastung von Gymnasien wurde emsig diskutiert. Welche Indikatoren können Phänomene wie Schulabsentismus oder Mobbing verlässlich abbilden? Finden sich in den verfügbaren Datenbeständen nutzbare Kennzahlen?

Aus dieser Vielzahl aufgeworfener Fragen ergab sich gleichsam eine weitere Erkenntnis in der gemeinsamen Diskussion: wie notwendig es sei, solche Dinge schon frühzeitig im Entstehungsprozess bildungspolitischer Ziele zu berücksichtigen, um später nicht davon überrollt zu werden. Und wie wichtig der schon im Vorfeld stattfindende regelmäßige Austausch mit der Leitungsebene sei, um die häufig unter Zeitdruck stehenden Verantwortlichen für das Thema zu sensibilisieren.

Was bleibt?

Auch wenn noch viele Bretter gebohrt werden müssten, um überhaupt zu einer geplanten Überprüfung bildungspolitscher Ziele zu kommen, waren sich die Teilnehmenden darüber einig, dass die Werkstatt eine willkommene Inspiration gewesen sei. In den Kommunen gehe es häufig erst einmal um die grundlegende Akzeptanz und Festschreibung von Zielen in Leitbildern. Die Einbindung der Indikatorentwicklung in die Erarbeitung von Bildungszielen sei aber nicht nur ein zentraler Knotenpunkt von Bildungsmonitoring und -management, sondern biete darüber hinaus auch die Möglichkeit, das kommunale Agenda-Setting im Bildungsbereich anzuregen.
 

Kontakt

Ulrike Richter,Veranstaltungen

Tel.: 0345-6817821 E-Mail: urichter@dji.de