Intern stark, nach außen wirksam –
die Migrationsagentur im Burgenlandkreis

Seit April 2018 bündelt die Migrationsagentur des Burgenlandkreises Behördenangelegenheiten und Hilfsangebote für Neuzugewanderte in einer Verwaltungsstelle in Naumburg. Sie gilt aufgrund ihrer Effizienz als Musterbeispiel verwaltungsinterner Kooperation. Mit einem Blick „hinter die Kulissen“ wollten wir herausfinden, was die „MiA“ so erfolgreich macht.

Alles unter einem Dach

Statt unterschiedliche Ämter an verschiedenen Orten arbeiten alle Bereiche der Migrationsagentur räumlich eng zusammen. Das gemeinsame Ziel: Prozesse vereinfachen und beschleunigen und so Integration effektiver gestalten.

Seit ihrer Gründung im Jahr 2018 hat die Migrationsagentur, ein Herzensprojekt des Landrates Götz Ulrich, in einem recht unscheinbaren Containerbau auf dem Gelände des Landratsamtes ihren Ort. In ihr zu finden: sämtliche Ämter und Einrichtungen, die auf Kreisebene mit der Integration von Neuzugewanderten befasst sind. Mit diesem innovativen Modell verwaltungsinterner Kooperation bündelt der Landkreis mehrere Behördenangelegenheiten und Hilfsangebote für Migranten und Geflüchtete in einer Verwaltungsstelle.

Die Idee der Migrationsagentur wuchs vor dem Hintergrund der großen Fluchtbewegungen 2015/16 und der damit verbundenen Erkenntnis, dass die bestehenden Strukturen des Landkreises längst nicht ausreichen, um die Aufgaben adäquat zu stemmen. „Uns ging es vor allem um den Abbau von Hürden, die erst durch die Verwaltung entstanden sind sowie um gute, abgestimmte Prozesse“, präzisiert Anna Lena Hemmer, die Integrationskoordinatorin des Landkreises, den Hintergrund des Großvorhabens.

Mittlerweile sind einige Jahre ins Land gegangen, einige Krisen mehr folgten, in denen sich die Migrationsagentur bewähren musste. Nach der Corona-Pandemie folgte der starke Zuzug ukrainischer Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, davon knapp ein Drittel Minderjährige. Der Burgenlandkreis hat diese Herausforderungen bewältigt und mehr noch, er glänzt inzwischen mit den höchsten Vermittlungsquoten von Migrantinnen und Migranten in Arbeit und Schule. „Die Behörde ist in allen Bereichen effizienter geworden“, blickt Robert Aßmann, Sozialdezernent des Burgenlandkreises, nicht ohne Stolz zurück.

Die zurückliegenden Herausforderungen trafen alle Kommunen gleichermaßen, doch was macht der Burgenlandkreis mit seiner Querschnittsbehörde so anders? Was ist das Besondere der MiA und warum funktioniert sie so gut – auch im Krisenmodus?

„Alles unter einem Dach“ – die Struktur der MiA

„Alles unter einem Dach“ lautet die Devise in der MiA. Sie bedeutet zunächst vor allem kurze Wege für die Kundinnen und Kunden, aber auch für die Mitarbeitenden. „Die MiA hat eine gemeinsam geteilte Mission, aber die Departements haben sehr unterschiedliche Aufgaben“, so die Integrationskoordinatorin Hemmer. Dadurch könnten potentielle Konfliktlinien, die zwischen verschiedenen Behörden mit unterschiedlichen Aufgaben auftreten können, in die MiA hineingeholt und unmittelbar aufgelöst werden. Die sozialraumorientierte Zuordnung der Mitarbeitenden befördert zusätzlich den Austausch zwischen immer gleichen Ansprechpersonen.

Die gemeinsame Mission erarbeiteten Mitarbeitende aller Sachgebiete und mündete in den MiA-Prinzipien. Sie beschreiben ein zielgruppenorientiertes Denken und Handeln, einen niedrigschwelligen Zugang zur Behörde, ämterübergreifende Zusammenarbeit und ein gemeinsames Fallmanagement. Für die Zugewanderten bedeutet das eine zentrale Ansprechperson in der Behörde und offene Sprechzeiten ohne Termin. Mehrere Anliegen können in einem Termin bearbeitet werden und alles kann mündlich vorgebracht werden. Durch gute Prozesse und eine „lautlose“ Verständigung im Hintergrund ermöglichen die Mitarbeitenden bruchfreie Rechtskreisübergänge.

Das erklärt nicht zuletzt einen wesentlichen Teil des Erfolgs der Migrationsagentur: „Die gute Arbeit der Mitarbeitenden und die schlanken Prozesse für die Kundinnen und Kunden führt zu Nachzügen über Mundpropaganda“, so Aßmann. Und dabei zieht der kundenorientierte Ansatz der MiA nicht nur neue Menschen in den Burgenlandkreis, sie ermöglicht es auch, Fachkräfte ganz gezielt zu identifizieren und zügig in Arbeit zu bringen. So konnten schon ukrainische Pädagoginnen und Pädagogen schnell für die Arbeit in Schulen und Kitas gewonnen werden.

Die Mitarbeitenden als wichtigste Ressource

Was hier auf den ersten Blick so schön und einfach klingt, ist das Ergebnis eines mehrjährigen, extern begleiteten Leitbildprozesses und vor allem täglich gelebter Praxis der Mitarbeitenden. „Die Motivation erhalten und den Druck bei den Mitarbeitenden abbauen – dieser Prozess findet jeden Tag aufs Neue statt“, so Thomas Postleb, Leiter der Migrationsagentur. Und das ist auch wichtig, denn die Mitarbeitenden sind das Herz der Agentur.

So banal diese Feststellung klingen mag, so wichtig ist sie doch. Die Strukturen, die Prozesse, die Prinzipien müssen immer wieder neu mit Leben gefüllt werden. Die Hausspitze und die Führungskräfte der MiA unterstützen dieses Bemühen durch Wertschätzung, eine gute Kommunikationskultur, vielfältige Kommunikationsanlässe sowie Weiterbildungs- und Beteiligungsmöglichkeiten.

Es herrscht eine offene und transparente Kommunikationskultur – alles darf raus und soll ausgetragen werden. Die Kommunikationsanlässe innerhalb und auch über die Abteilungen hinweg sind vielfältig: Die Amtsleiter treffen sich halbjährlich, um über strategische und Personalfragen zu sprechen. Die Dienstberatung umfasst alle Gruppenleiter der MiA und tagt monatlich. Die Fallberatungen finden alle zwei Wochen zu konkreten Fällen statt. Um besonderen, nicht planbaren Anlässen gerecht zu werden, werden die sogenannten „Taskforces“ anlassbezogen und variabel eingerichtet.

Neben den arbeitsbezogenen Treffen haben sich weitere Formate des Teambuilding etabliert: Neben einem klassischen Wandertag für die gesamte Organisation hat sich ein vierteljährliches Austauschtreffen für alle Mitarbeitenden der MiA bewährt. Es wird eigenständig von unterschiedlichen Abteilungen organisiert mit anschließendem gemeinsamen Grillen und Zusammensein. Der Amtsleiter gibt einen kurzen Rück- und Ausblick und alle Mitarbeitenden haben die Möglichkeit ihre Anliegen an alle zu richten.

Denn auch das ist wichtig: Wertschätzung für die Arbeit des Anderen. Sie wird in der MiA gelebt. So haben die Mitarbeitenden nicht nur Orte, wo sie ihre Anliegen einbringen können, sie werden aktiv in strategische Prozesse eingebunden und dürfen selbst neue Strukturen entwickeln (etwa den Beirat aller migrantischen Mitarbeitenden der MiA). Darüber hinaus werden die Leistungen der Mitarbeitenden und Erfolge der MiA nach außen und nach innen über aktive Öffentlichkeitsarbeit sichtbar gemacht und damit gewürdigt. Eine Vielfalt an Broschüren wurde erstellt, Zeitungsartikel veröffentlicht, Videos gedreht und Mitarbeitende von Führungskräften auf Präsentationsveranstaltungen mit eingeladen.

Auch die individuelle Kompetenzentwicklung der Mitarbeitenden trägt zum Erfolg der MiA bei. Das Tätigkeitsfeld wandelt sich stetig und die dafür notwendigen Kompetenzen erfordern die Bereitschaft und die Ressourcen sich beständig weiterzubilden. Der Landkreis unterstützt dieses Bestreben mit einem vergleichsweise großen Weiterbildungsbudget für alle Mitarbeitenden der Migrationsagentur.

Vieles erreicht! Und jetzt?

„Die MiA hat eine Idee, aber sie ist nicht auf ein konkretes Ziel festgelegt“, fasst die Integrationskoordinatorin Hemmer in ihrem Blick nach vorn zusammen. Die Organisation werde sich stetig verändern, durch die Integration neuer Projekte, die Impulse der Mitarbeitenden oder die Anforderungen von außen. Zu tun gibt es noch immer genug! Eine weitere Herausforderung, die Digitalisierung (Stichwort: E-Akte, Schnittstellenmanagement), wartet beharrlich auf den Schreibtischen der Mitarbeitenden. Und die nächste Krise kommt bestimmt.

Kontakt

Nora Herrmann, Kommunalberatung Sachsen-Anhalt

Tel.: 0341-99392313 E-Mail: nherrmann@dji.de

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Der VielFalter stellt regelmäßig Gute-Praxis- Beispiele interkultureller Öffnungsprozesse aus verschiedenen Bereichen der öffentlichen Verwaltung vor. Eine Ausgabe widmet sich der MiA des Burgenlandkreises und gibt Auskunft über ihren Entwicklungsprozess und ihre besondere Struktur.

Webseite

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Eine 23-seitige Analyse des IKOE-Projektes spiegelt die Etappen der Entwicklung der Prozessbegleitung der Migrationsagentur wider, formuliert Handlungsempfehlungen für die Umsetzung des verabschiedeten Leitbilds und enthält ein Resümee der langjährigen Prozessbegleitung der MIA hin zu einer Willkommensbehörde.