Bildung und Nachhaltigkeit im Ilm-Kreis

Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) wird immer stärker zu einem zentralen Handlungsfeld für Kommunen. Doch wie lässt sich das Thema erschließen? Welche Aufgaben und Herausforderungen ergeben sich daraus und was hat Nachhaltigkeit eigentlich mit Bildung zu tun? Ein Gespräch mit dem Klimaschutzmanager und Agenda 2030 Beauftragten des Ilm-Kreises Felix Schmigalle.

Nachhaltigkeit und Klimaschutz

Bei seiner Arbeit hat Klimaschutzmanager Felix Schmigalle immer beide Bereiche im Kopf. Beide will er fest im Bildungsbereich verankern.

Wie wurde Nachhaltigkeit zu einem Handlungsfeld des Ilm-Kreises?

Der Ilm-Kreis ist schon seit Mitte der 1990er-Jahre in diesem Bereich aktiv. Das lag an der politischen Aufbruchstimmung in dieser Zeit und den richtigen Akteuren, die von Beginn an zusammengearbeitet haben. Seitdem ist die Unterstützung für nachhaltige Entwicklung ungebrochen. Auch die Landrätin, Petra Enders, hat das Thema fest auf ihrer Agenda.

Viele Impulse kommen auch von außen – von den Akteuren, von Schulen, Vereinen, Unternehmen oder Kommunen. Es ist ein Zusammenspiel zwischen dem Landkreis, der diesen Prozess steuert und den Akteuren, die davon profitieren sollen. Durch die politische Unterstützung konnten bereits viele verschiedene Bereiche bearbeitet werden: Nachhaltigkeit insgesamt, aber auch spezielle Themen wie Mobilität.

Ich denke hier an unsere „Woche der erneuerbaren Energien“, die wir seit 1998 im Landkreis durchführen. Der Bereich entwickelt sich seitdem ständig weiter. Das bedeutet Agendaarbeit – Arbeitsprogramme und Aktionen in den Bereichen Klimaschutz und Nachhaltigkeit werden regelmäßig an die aktuellen Entwicklungen angepasst.

Was sind dabei Ihre Aufgaben als Klimaschutzmanager?

Seit vier Jahren bin ich für den Bereich Nachhaltigkeit zuständig, und zwar zusätzlich zu meiner sonstigen Aufgabe. Denn eigentlich bin ich seit 2015 der Klimaschutzmanager im Landkreis. Ich habe im Schnitt 36 Maßnahmen und Projekte pro Jahr, die ich in der Umsetzung begleite.

Bei meiner Arbeit habe ich immer beide Bereiche im Kopf: Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Hierzu gehört auch mein Anspruch, beides im Bildungsbereich zu verankern, denn BNE – also Bildung für nachhaltige Entwicklung – hat bei uns im Landkreis einen hohen Stellenwert. Da ich Klimaschutz und Nachhaltigkeit bearbeite, kann ich eine gute Vernetzung zwischen den Akteuren sicherstellen. Wenn eine Schule etwas zum Thema Energie oder zu fairem Handel machen möchte, versuche ich einen Verein anzusprechen, der sich damit auseinandersetzt, aber eben auch Aspekte des Klimaschutzes einbringt. Mir fällt da der Zusammenhang zwischen unserem täglichen Konsum und der CO2-Emission ein.

Zudem beteilige ich mich an der Konzeption von Projekten in Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Akteuren. Hauptsächlich kümmere ich mich aber um die Finanzierungsmöglichkeiten von Maßnahmen. Alle zwei Wochen treffe ich mich mit der Landrätin zum Jour fixe. Ich habe den Vorteil, als Stabsstelle bei der Landrätin angesiedelt zu sein und agiere so in direkter Abstimmung mit ihr. Die politische Überzeugungsarbeit ist ein großer Teil meiner Arbeit. Hier werden Abläufe abgestimmt und in Ausschüssen diskutiert. Inzwischen ist ein gutes Vertrauensverhältnis entstanden. Das Problem ist, dass meine Zeit häufig nicht für alles reicht.

Wie bringen Sie Ihre Arbeitsschwerpunkte mit dem Thema Bildung zusammen?

Im Moment fokussieren wir uns auf die Grundschulen, Regelschulen und Schülerinnen und Schüler in der Berufsorientierung. Besonders groß ist der Bedarf in den weiterführenden Schulen, da mit der Grundschule die Bearbeitung der Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit oft aufhört. Kern der Arbeit ist es, an die Schulen zu gehen und dort mit externen Bildungsanbietern aus dem Landkreis und darüber hinaus verschiedene Projekte zu initiieren.

Ein Beispiel für ein konkretes Projekt, bei dem Klimaschutz und Nachhaltigkeit verknüpft werden, ist der Wettbewerb Erneuerbare Energien. Die Kinder bekommen ein kleines Modul mit Motor und bauen damit ein Modell. Fast alle Schulen im Landkreis machen mit. Das ist ein sehr schönes Projekt, weil die Kinder sich von der ersten Klasse an mit erneuerbaren Energien auseinandersetzen.

Da wir Kriterien wie plastikfrei, kompostierbar oder recyclefähig für das Modell festlegen, erfordert der Bau eine tiefergehende Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeitsthemen. Das sind Impulse, die dann in den Schulen aufgegriffen werden: im Unterricht, von aktiven Lehrkräften oder im Rahmen von Workshops mit Bildungsanbietern. Daneben gibt es viele weitere Projekte wie das „Recyclingmobil“, unser „Möhrchenheft“ oder Aktionen zur Mülltrennung. 

Inwieweit hat der Landkreis die Handlungsfelder Klimaschutz und BNE strategisch verankert?

Wir haben ein Aktionsprogramm Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung. Das Aktionsprogramm mit seinen Maßnahmen wurde vom Kreistag beschlossen. Der jetzige Plan läuft von 2021 bis 2025 und beinhaltet 53 Maßnahmen in zehn Handlungsfeldern. Unsere Strategie wird regelmäßig überarbeitet und immer wieder neu vom Kreistag ratifiziert.

Jedes Projekt soll mit einer Arbeitsgruppe realisiert werden. Hierzu gehören dann unterschiedliche Akteure, die sich um die Umsetzung kümmern. Deshalb versuchen wir sehr eng mit verschiedenen Partnerinnen und Partnern zusammenzuarbeiten. Hierzu gehören Schulen, Vereine, Landeseinrichtungen, Universitäten, Bildungsträger, um nur einige zu nennen. Wir können das alles nur gemeinsam stemmen!

Das Aktionsprogramm ist unser Plan. Die finanzielle Untersetzung der Dinge kommt mit den Haushaltsplänen. Da gibt es auch immer mal kritische Töne: Brauchen wir das wirklich? Wollen wir das? Aber Klimaschutz und Nachhaltigkeit bzw. BNE sind schon jetzt ein Stück weit Pflichtaufgabe, auch wenn die Finanzierung nicht grundständig gesichert ist. Die Themen sind in verschiedenen Strategien fest verankert, unter anderem im Sozialplan und im Integrationskonzept. Wir haben eine Armutspräventionsstrategie und ein Bildungsleitbild mit BNE-Themen, was allerdings vom Kreis noch nicht beschlossen wurde.

Meine Kolleginnen und Kollegen aus den genannten Bereichen und ich stehen jetzt vor der Aufgabe, die Dinge stärker miteinander zu verknüpfen. An dieser Stelle sind wir wirklich froh über die externe Begleitung vom BNE-Kompetenzzentrum. Im ersten Schritt machen wir eine Bestandsanalyse von Angeboten und den Akteuren. Wir glauben nämlich, dass wir hier noch nicht alles kennen, vor allem nicht die gesamte Angebotslandschaft.

Wie geht es weiter mit Ihrer Arbeit?

Mein Wunsch wäre, dass wir mehr Strukturen und personelle Kapazitäten aufbauen, um die Querschnittsaufgaben Armutsprävention, Integration und Bildungsmanagement weiter auszubauen. Zudem wollen wir die Bildungsakteure im Landkreis bei der Intergation von Nachhaltigkeitsthemen und der Umsetzung entsprechender Maßnahmen unterstützen.

Hierfür brauchen wir einen verbindlichen Rahmen, der uns das zur festen Aufgabe macht. Grundsätzlich haben wir die Aufgabe angenommen, aber gerade für Bereiche der Verwaltung, die nichts mit den Themen zu tun haben, ist es noch schwer. Da müssen wir noch stärker in die Abläufe reingehen. Ein anderer Punkt wäre die Zusammenarbeit mit dem Thüringer Institut für Lehrerfortbildung. Wir haben ein großes Interesse, dass die Lehrkräfte im Landkreis in Richtung Klimaschutz und Nachhaltigkeit stärker geschult werden. Denn so können sie diese Themen in der Schule einbringen.

Und als Landkreis müssen wir natürlich weiter mit positivem Beispiel vorangehen. Die meisten unserer Liegenschaften sind Schulen. Wenn da eine Photovoltaikanlage gebaut wird, wird es immer einen Workshop mit Schülerinnen und Schülern zum Thema geben, der ihnen deutlich macht: Auf eurem Dach wird jetzt Solarenergie produziert, die ihr für eure Schule nutzen könnt.

Kontakt

Das Interview führte Michael Brock, Kommunalberatung Thüringen.

Tel.: 0341-99392315 E-Mail: brock@dji.de

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