Forum 2

Wissenschaft und Kommune auf Augenhöhe?! –
ein Erfahrungsbericht aus dem Projekt „NeOBi“

Wie lassen sich Bildungs- und Betreuungsbarrieren für benachteiligte Kinder im Grundschulalter abbauen? Im Forum 2 gab es einen ersten Einblick in das Kooperationsprojekt NeOBi. Zentral standen hier die Fragen: Wie kommt es mit dieser Vielzahl an Akteuren zu einer gemeinsamen Sprache und zu Ergebnissen? Welcher Mehrwert lässt sich für die Akteure generieren?

Wissenschaft und Kommune auf Augenhöhe?! – ein Erfahrungsbericht

Referent: Michael Gerstner, Bildungsmanager, Stadt Halle (Saale)

Referentin: Dr. Stefanie Schmachtel, Verbundkoordinatorin NeOBI, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg / 16.06.2022

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Das Verbundprojekt NeOBi erforscht, wie sich Bildungs- und Betreuungsbarrieren in als „riskant“ wahrgenommenen Sozialräumen für benachteiligte Kinder im Grundschulalter abbauen lassen. Dazu arbeiten zahlreiche Partner unterschiedlicher Professionen (Pädagogik, Soziologie, Geografie), Institutionen (Universität, Verwaltung, Schule) und kommunaler Kontexte (Landkreise, Städte, Gemeinden) zusammen.

„Die Kommunikationsstruktur ist bei der Vielfalt der Akteure schon sehr herausfordernd“, so Dr. Stefanie Schmachtel, Verbundkoordinatorin von NeOBI. Das Ziel des Verbundprojektes benötige allerdings diese vielfältigen Perspektiven, Professionen und Ebenen, um die Bildungslandschaft vom Kind aus zu denken. Neben der Forschung sollen auch in Zusammenarbeit von Praxis und Wissenschaft Maßnahmen entwickelt werden, die Bildungsbarrieren abbauen. Zudem werden Spielräume und Handlungsmöglichkeiten für Verwaltung und Bildungsmanagement ergründet, die tatsächlich auch im Wirkungsbereich der Kommune liegen.

Damit dies gelingt, brauche es bei allen Akteuren Offenheit für andere Perspektiven, die andauernde Reflexion der eigenen Rolle und auch den Mut, die Ergebnisoffenheit des Projektes auszuhalten. Essenziell seien personelle Ressourcen und vor allem Geduld, denn „Eine Annäherung von Perspektiven braucht Zeit“, so Schmachtel.

Die erste Herausforderung liege in der Kommunikation selbst. Die verschiedenen Akteure aus Wissenschaft, Politik, Verwaltung und Bildungspraxis müssen eine gemeinsame Sprache finden und sich zu Begriffen verständigen. „Selbst innerhalb der Wissenschaft gab es noch einmal fünf unterschiedliche Verständnisse von der Bildungslandschaft, weil wir es mit fünf verschiedenen Professionen zu tun haben“, so Schmachtel. Wichtig sei, den Akteuren Räume für gemeinsame Reflexion zur Verfügung zu stellen und auch „mehrsprachiges“ Projektpersonal, die diese verschiedenen Perspektiven kennen und „übersetzen“ können.

Die zweite größere Herausforderung sei die Organisation des Gesamtprojektes, damit alle mit allen relevanten Informationen versorgt und einbezogen sind. Eine feste gemeinsame Struktur zu finden, sei herausfordernd und habe sich schnell überholt. Deswegen werde beständig geprüft und neu angepasst an die Anforderungen der Akteure. Die unterschiedlichen Geschwindigkeiten seien so ein Thema oder die räumliche Nähe der Akteure zueinander. „Es macht natürlich etwas, wenn ich mit meinem Projektpartner mal eben Mittagessen gehen kann oder ob wir uns nur über Videokonferenz sehen“, stellt Schmachtel fest.

Die dritte größere Herausforderung ist das Erwartungsmanagement und die Kultur der Akteure. Laut Schmachtel ist das Grundinteresse, bei so einem Projekt mitzuwirken, grundverschieden: „In der Wissenschaft liegt das Interesse in der Forschung, in so einen Prozess mal reinzuschauen. In der Kommune liegt das Herz in der Entwicklung.“ Aber auch die Zeithorizonte, wie schnell bestimmte Prozesse gehen sollen, liegen weit voneinander entfernt. Die Bildungspraxis ist interessiert daran, möglichst schnell Maßnahmen zu entwickeln, die Verwaltung hingegen ist an festgelegte Planungszyklen und politische Vorgaben gebunden.

Trotz der zahlreichen Herausforderungen lohne sich die Zusammenarbeit der verschiedensten Akteure. Die Forschung wolle auch in der Politik und Praxis wirksam werden. Dazu brauche es den Austausch, damit die wissenschaftlichen Erkenntnisse auch von den Akteuren „verwertet“ werden können, konstatiert Schmachtel.

Auch die Verwaltung und kommunale Ebene profitiert von der Zusammenarbeit mit Wissenschaft: „Wir als Kommune brauchen dringend Reflexion, Wissen und neue Perspektiven und das haben wir uns mit NeOBi bewusst reingeholt“, so Michael Gerstner, Bildungsmanager der Stadt Halle(Saale). „Häufig tut Kommune Dinge, die gut gemeint sind, aber ob sie gut angekommen, wissen wir häufig nicht." Hier könne die Wissenschaft nun Erkenntnisse liefern, ob das, was beabsichtigt wurde, auch erreicht werden konnte. Zudem lieferten wissenschaftlich gestützte Erkenntnisse noch einmal ganz andere Argumentationsgrundlagen gegenüber der Politik.

Laut Gerstner habe es noch einen sehr positiven Nebeneffekt für die Verwaltung: „Wir bekommen motivierte und gut ausgebildete junge Menschen aus der Uni als Fachkräfte. Als PraktikantInnen und studentische Hilfskräfte im Projekt lernen sie die Verwaltung und das Bildungsmanagement kennen und sehen wie abwechslungsreich und herausfordernd die Arbeit in einer Verwaltung sein kann.“

Fazit

Im Forum 2 berichteten Dr. Stefanie Schmachtel, Verbundkoordinatorin von NeOBI, und Michael Gerstner, Bildungsmanager der Stadt Halle(Saale), von Herausforderungen in den ersten Monaten des Verbundprojektes. Sie zeigten die Herausforderungen in der Kommunikation, der Arbeitsorganisation und der damit verbundenen Erwartungen und Organisationskulturen auf, aber auch die Mehrwerte, die aus der Zusammenarbeit für die Akteure entstehen. 

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