Fortbildung

Guter Ganztag geht nur gemeinsam!

Am 15. März trafen sich in den Franckeschen Stiftungen zu Halle Ganztags-Interessierte aus unterschiedlichen mitteldeutschen Kommunen, um sich über die Weiterentwicklung von Ganztagsangeboten auszutauschen. Zu Gast waren Verantwortliche aus den Kommunalverwaltungen der Bereiche Bildung, Kindertageseinrichtungen, Schule, Fachplanung und Fachberatung sowie Vertreterinnen und Vertreter der Fachpraxis und Praxisbegleitung.

Guter Ganztag

Herzlich willkommen in den Franckeschen Stiftungen zur Fortbildung „Guter Ganztag geht nur gemeinsam!“

Mit dem Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter, der ab dem Schuljahr 2026/27 sukzessive eingeführt wird, ist der quantitative und qualitative Ausbau von Ganztagsangeboten als Ziel formuliert worden. Der bundesweite Rechtsanspruch trifft dabei auf landespezifische Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung des Ganztags. Gleichzeitig existieren vielfältige Angebotsformen mit unterschiedlichen Konzepten nebeneinander. So ist in den ostdeutschen Bundesländern vor allem das Grundschule-Hort-Modell verbreitet. Daneben arbeitet ein Teil der Grundschulen als Ganztagsschulen und kooperiert mit einer Vielzahl an außerschulischen Kooperationspartnern.

Vor dem Hintergrund der Vielfalt von Ganztagsformen und aktuell noch ungeklärter Fragen zu Qualität, Finanzierung und Zuständigkeiten beim Ganztagsanspruch ergibt sich ein unvollständiges Bild davon, welche konkreten Anforderungen und Aufgaben auf Kommunen und die Praxis zukommen. In der Veranstaltung tauschten sich die Teilnehmenden darüber aus, was es braucht, um Ganztagsangebote qualitativ weiterzuentwickeln, damit guter Ganztag gemeinsam gelingt.

Heterogene Strukturen und künftige Entwicklungsbedarfe im Ganztag

Dr. Christine Steiner, wissenschaftliche Referentin am Deutschen Jugendinstitut und Mitforschende in der StEG-Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen, ging in ihrem Input auf die unterschiedlichen regionalen Ausbaudynamiken und Angebotsstrukturen im Ganztag ein. Schulen in ganztägiger Form haben stetig, in den letzten Jahren jedoch in geringerem Maße zugenommen. Das offene Ganztagsschulmodell mit der freiwilligen Teilnahme der Schülerinnen und Schüler überwiegt dabei und ist insbesondere an Grundschulen anzutreffen.

Mit dem Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung verbinden sich laut Steiner vielfältige Zielsetzungen und eine relativ neue Kombination von sozial- und bildungspolitischen Zielen: die bessere Vereinbarkeit von Familien- und Erwerbsleben, die Prävention von Armutsfolgen, die individuelle Förderung von Kindern und Jugendlichen sowie die Ermöglichung von Teilhabechancen. Während die Eckpfeiler zum Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder wie der Betreuungsumfang festgelegt worden, steht ein übergreifender Qualitätsrahmen auf Bundesebene noch aus. Dies betrifft u. a. Qualitätsparameter zum Personal, zur konzeptionellen Ausrichtung, der räumlichen Ausstattung, der Einbindung von Kooperationspartnern, der Feriengestaltung und der Beteiligung von Kindern bei der Ganztagsgestaltung.

Dr. Christine Steiner, Deutsches Jugendinstitut e.V.

Der im Ganztagsförderungsgesetz (GaFöG) formulierte Rechtsanspruch ist Aufgabe aller föderaler Ebenen. Landkreise und kreisfreie Städte tragen die Verantwortung für ein rechtzeitiges und bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagsplätzen. Kommunen haben aufgrund der Verankerung des Rechtsanspruchs im SGB VIII die Planungsverantwortung, die im Rahmen der Jugendhilfeplanung erfolgt. Herausforderungen können sich laut Steiner ergeben, wenn wesentliche Planungsgrundlagen fehlen. So gibt es bisher kaum Kenntnisse über die aktuelle Personalzusammensetzung in Ganztagsangeboten. Zudem müssen die Betreuungsbedarfe zunächst verlässlich ermittelt werden.

Ganztagsschule in Sachsen-Anhalt – von der Einzelschule zum regionalem Netzwerk

Wie hat sich die Ganztagsschullandschaft in Sachsen-Anhalt entwickelt und was lässt sich daraus für die Weiterentwicklung von Ganztagsangeboten ableiten? Michael Stage, Programmleiter der Serviceagentur Ganztag Sachsen-Anhalt der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, berichtete über seine Erfahrungen aus der Begleitung von Ganztagsschulen.

Im aktuellen Schuljahr 2022/23 arbeiten insgesamt 117 öffentliche Schulen in Sachsen-Anhalt als Ganztagsschulen. Dabei handelt es sich mehrheitlich um weiterführende Schulen, die als Ganztagsschule in offener oder gebundener Form organisiert sind. Eine weitere Organisationsform ist die Ganztagsschule mit außerunterrichtlichem Angebot, die ausschließlich Budgetmittel ohne die Zuweisung von Lehrerwochenstunden oder Stunden für pädagogische Mitarbeitende erhält.

Laut Stage ist die Notwendigkeit, Ganztagsangebote verstärkt durch außerschulische Kooperationspartner durchzuführen, gestiegen, da Lehrkräften aufgrund der Absicherung des Pflichtunterrichts weniger Angebotsstunden für den Ganztag zur Verfügung stehen. Um verlässliche und langfristige Kooperationspartner zu gewinnen, ist die Ganztagsschule gefordert, sich im lokalen Umfeld zu vernetzen und Angebote zu koordinieren.

Michael Stage, Serviceagentur Ganztag Sachsen-Anhalt

Dies gelingt, so Stage, am besten in einem Bildungsnetzwerk mit regionalen Partnern. Ein institutionenübergreifendes Bildungsgremium kann dabei unterstützen, die Angebote im Ganztag abzustimmen und ein gemeinsames Bildungsverständnis zu entwickeln. Wichtig seien, so Stage, verbindliche Strukturen in der Zusammenarbeit, da außerschulische Kooperationspartner im Gegensatz zu Horten keine festen Strukturen darstellen.

Qualitätsrahmen als Grundlage für die Zusammenarbeit von Grundschule und Hort

Wie kann die Zusammenarbeit zwischen Grundschule und Hort auf der kommunalen Ebene verbindlich gestaltet werden? Wertvolle Hinweise gab Sylvia Mihan, Referentin der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung in der Regionalstelle Sachsen. Als Leiterin des Programms „Gemeinsam bildet – Grundschule und Hort im Dialog“ begleitete sie von 2011 bis 2022 die Städte Dresden und Leipzig bei der Entwicklung eines Qualitätsrahmens.

Da Veränderungen in der Praxis, so Mihan, nur nachhaltig sind, wenn sich Veränderungen auf allen Ebenen vollziehen, wurden verschiedene Akteure in Dresden in die Erarbeitung des gemeinsamen Qualitätsrahmens einbezogen: pädagogische Fachkräfte, Verantwortliche in der Verwaltung, Fachaufsicht, Fachberatung sowie schulfachliche Referenten des Landes. Zwischen den Beteiligten fand ein gemeinsamer Verständigungsprozess über Qualitätskriterien in der ganztägigen Bildung statt. Dabei lagen die Vorstellungen, so Mihan, von Grundschule und Hort oft nah beieinander.

Eine wesentliche Gelingensbedingung ist die strukturelle Verankerung der abgestimmten Veränderungen: Eine Steuergruppe mit Vertreterinnen und Vertretern der verschiedenen Akteursgruppen trifft sich in Dresden vier- bis fünfmal im Jahr. Ein weiterer Baustein der Zusammenarbeit von Verwaltung und Praxis ist die jährliche gemeinsame Dienstberatung aller Schul- und Hortleitungen. Um die wichtige Prozessbegleitung vor Ort sicherzustellen, wurde zudem ein Beratungstandem aus einer Lehrkraft und einer Hortpädagogin strukturell verankert. Weiterhin wurden im Rahmen des Programms Vorlagen für eine Kooperationsvereinbarung und eine gemeinsame Haus- und Hofordnung von Grundschule und Hort erarbeitet.

Gut gerüstet für die Weiterentwicklung im Ganztag? Anregungen für die Umsetzung in der Kommune

Welche Erkenntnisse und Empfehlungen lassen sich auf Grundlage der drei Impulsvorträge und der formulierten Bedarfe der Teilnehmenden für die Weiterentwicklung von Ganztagsangeboten ableiten? Eine Auswahl wesentlicher Aspekte und Empfehlungen wird nachfolgend zusammengefasst:

Klarheit über Rahmenbedingungen

Für eine verlässliche Planung und Vorbereitung auf den Ganztagsanspruch braucht es in erster Linie mehr Klarheit über künftige Rahmensetzungen und strukturelle Regelungen auf Landesebene. Was bedeutet der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung konkret für die Kommune und die Fachpraxis? Welche Veränderungen sind damit verbunden? Wie kann die ganztägige Bildung und Betreuung weniger in Zuständigkeiten und mehr in gemeinsamen Verantwortlichkeiten gedacht werden?

Externe neutrale Begleitung

Bei der Weiterentwicklung von Ganztagsangeboten sollte eine externe neutrale Prozessbegleitung unterstützen, die zwischen verschiedenen Interessen und Perspektiven vermitteln kann. Die Begleitung kann Moderations-, Vernetzungs- und Koordinationstätigkeiten übernehmen und so wichtige Entlastung schaffen.

Strukturelle Verankerung von Veränderungen

Nachhaltige Veränderungen im Ganztag benötigen strukturelle Verankerungen in Verwaltung und Praxis, um die Verbindlichkeit und Unabhängigkeit von Einzelpersonen zu erhöhen. Strukturelle Voraussetzungen lassen sich u. a. durch übergreifende Gremien für den Ganztag, Kooperationsvereinbarungen und Beschlüsse herstellen.

Zeit für Austausch zwischen Professionen

Das gegenseitige Kennenlernen der pädagogischen Haltungen von Fachkräften in Schule und Jugendhilfe erfordert ausreichend Zeit und Möglichkeiten für den konstruktiven Austausch. Zusätzliche Austauschmöglichkeiten bieten zum Beispiel gemeinsame pädagogische Tage, die ein gegenseitiges Verständnis befördern können.

Austausch in Kleingruppen: Wie kann Kooperation für einen guten Ganztag gelingen?

Gemeinsame Verständigung über Qualität

Unabhängig davon, in welcher Form der Ganztag umgesetzt wird, braucht es ein gemeinsames Verständnis von Qualität. Qualitätsfragen berühren nahezu alle Aspekte im Ganztag wie die Qualifizierung der Fachkräfte, die Qualität der Zusammenarbeit, die Einbeziehung der Bedürfnisse von Kindern, den Personalschlüssel usw. Auch bei der Qualitätsentwicklung und -sicherung bedarf es struktureller Verankerungen.

Ganzheitliches Konzept für den Ganztag

Ein ganzheitliches Konzept für den Ganztag mit einem erweiterten integrierten Bildungsverständnis ist für die Umsetzung guter Ganztagsangebote unerlässlich. Dabei sollten die Bedürfnisse der Kinder im Mittelpunkt stehen und fachliches und individuelles Lernen miteinander verknüpft werden. Bei einer abgestimmten Konzeptentwicklung sollten neben Grundschulen auch Förderschulen sowie unterschiedliche Schülergruppen mitgedacht werden.

Sichtbarkeit von Kooperationspartnern

Um lokale Ressourcen optimal zu nutzen, sollten außerschulische Kooperationspartner und Lernorte sichtbar und zugänglich gemacht werden. Ein Überblick über lokale Bildungsakteure und ihre Angebote kann eine gute Grundlage sein.

Gemeinsame Planung

Um Ganztagsangebote verlässlich planen zu können, braucht es integrierte Planungsprozesse wie eine gemeinsame Schulentwicklungs- und Jugendhilfeplanung. Benötigt wird u. a. Wissen zu Betreuungsbedarfen, der Zusammensetzung und dem Bedarf an pädagogischen Fachkräften. Zur Einschätzung der Qualität sollte auch die Perspektive der teilnehmenden Kinder als Adressaten der Ganztagsangebote ermittelt werden.

Transfer guter Beispiele

Gute Beispiele für die Umsetzung von Ganztagsangeboten sollten weiter identifiziert und in Hinblick auf Gelingensbedingungen analysiert werden. Insbesondere in ländlichen Räumen braucht es eigene lokale Lösungen, die den spezifischen Bedingungen vor Ort – wie Mobilität, Infrastruktur und der lokalen Verfügbarkeit von Bildungsakteuren – Rechnung tragen.

Bildungskoordination

Mitarbeitende im kommunalen Bildungsmanagement und den Bildungsbüros können die Rolle einer externen Begleitung und Koordination übernehmen. Sie können die gemeinsame Entwicklung von kommunalen Zielen in der Ganztagsbildung unterstützen, zwischen unterschiedlichen Perspektiven vermitteln und Prozesse der Zusammenarbeit zwischen Bildungsakteuren moderieren.

Kontakt

Ulrike Richter, Veranstaltungen

Tel.: 0345-68178 21 E-Mail: urichter@dji.de

Mehr zum Thema

Programm

Wie kann angesichts der unterschiedlichen Ausgangslagen und heterogenen Akteure Ganztagsbildung gemeinsam gestaltet werden? Diese Frage stand im Mittelpunkt unserer Fortbildung am 15. März 2023 in den Franckeschen Stiftungen.

Praxishandbuch

In einem Handbuch wird der Dresdner „Qualitätsrahmen für gelingende Kooperation zwischen Grundschule und Hort" vorgestellt und um Praxisbeispiele ergänzt. Damit bietet die Broschüre Einblicke in die konkrete Zusammenarbeit von Grundschule und Hort.

Orientierungshilfe

Die Handreichung „Zusammenarbeit im Ganztag“ bietet eine Orientierungshilfe für Personen aus der Bildungspraxis, der Bildungsverwaltung sowie alle, die eine gute Zusammenarbeit im Ganztag ermöglichen und selbst realisieren wollen.

Qualität im Ganztag

Was macht qualitätsvollen Ganztag auf den Ebenen des Schul- und Jugendhilfesystems aus? Unter Berücksichtigung der Angebotsvielfalt werden in einer Expertise Ziele, Forschungsbefunde und Qualitätskonzepte vorgestellt.