Bildungswerkstatt

Bildung – Stadt – Quartier.
Kommunales Bildungsmanagement in mitteldeutschen Städten

„Wenn Form und Inhalt eine Einheit bilden, gilt das nach Bauhaus-Art als mustergültig. Diesen Maßstab auf Bildung zu übertragen, hieße Stadtentwicklung und Bildungsmanagement nicht parallel zu betreiben, sondern miteinander zu verzahnen.“ Mit diesem starken Motto lud die Transferagentur Mitteldeutschland am 4. Februar 2019 zur Bildungswerkstatt in das Lichthaus Halle ein.

Stadtentwicklung trifft Bildungsmanagement

Wie lässt sich beides gut verzahnen? Um das zu diskutieren, lud die Transferagentur ins Lichthaus nach Halle ein.

Das Motto gilt auch für die Veranstaltung selbst, denn der Veranstaltungsort (Form) und die Bildungswerkstatt (Inhalt) bilden eine augenfällige Einheit: Das Lichthaus – ein ehemaliges ingenieurstechnisches Zentrum für Lichtversuche – war mithin ein Experimentierraum und wurde vor wenigen Jahren in ein Kultur- und Begegnungszentrum umgebaut.

Diese Entwicklung trifft bereits den Kern der Veranstaltung, denn das LICHTHAUS möchte nach eigener Aussage das Stadtviertel beleben, einen aktiven Begegnungsraum eröffnen, für Kunst in verschiedener Form einen Ort schaffen und so zur Interaktion zwischen unterschiedlichen Menschen in offener Weise beitragen. Um solche Ansätze im Quartier umzusetzen, ist ein Zusammenspiel vieler Akteure notwendig, zu der auch die Stadtentwicklungsplanung und das Bildungsmanagement gehören.

Stadtentwicklung findet Bildung

Frau Prof. Dr. Angela Million macht in ihrem einführenden Vortrag schnell deutlich, dass es vielfältige „Anfasser“ für ein gemeinsames Engagement von Stadtentwicklung und Bildungsmanagement gibt. Dabei sind stadtplanerische Zeitfenster, in denen z.B. viele Schulen neu gebaut werden können oder andere bauliche Substanz mit kreativen Konzepten einer Umnutzung erhalten werden kann, gute Zeiten für solche planerische Zusammenarbeit. Mit diesem Appell warnt Frau Million, dass eine nicht abgestimmte Stadtplanung Bildung erschwert.

Damit Bildungspolitik stadtplanerisch funktioniert, sind neben den kommunalen Ressorts der Stadtentwicklung und des Bildungsmanagements ebenso zivilgesellschaftliche Akteure einzubinden. Zudem sind oft (insbesondere im Zusammenhang mit Schulen) die Landespolitik und über Förderprogramme die Bundesebene mit im Boot. Dass die Stadtentwicklung die Bildung als ein mitzudenkendes Konzept entdeckt hat, kommt jedoch nicht von ungefähr.

Waren früher stadtplanerische Aktivitäten auf räumliche Infrastrukturen (Wohnen, Einkaufen, Schule und Verkehr) fokussiert, hat sich gezeigt, dass insbesondere das Einkaufsverhalten der Menschen nicht mehr planbar ist. Hingegen hat sich gezeigt:

Bildung ist ein verlässlicher Partner

Denn der Bedarf an Schulen, Freizeit- und Ganztagsangeboten in einem Quartier ist nicht nur wesentlich planbarer, sondern macht die Viertel lebenswerter. Nachhaltige Stadtentwicklung und Bildungspolitik sind wichtige politische Ziele, denen sich die Kommunen stellen. Dabei sind jedoch zwei Entwicklungen kritisch zu hinterfragen: Der Slogan „Kein Kind darf verloren gehen“ impliziert, dass es auf Ältere wohl weniger ankommt – ein Fehler, wie Frau Million meint, der illustriert, dass Lebenslanges Lernen noch nicht den Handlungsrahmen für städteplanerische Gestaltung von Bildungslandschaften vorgibt. Damit einher geht – und das ist ihre zweite Kritik –  eine starke Fokussierung auf Schule. Dies war in fast allen Programmen, die sie im Rahmen eines Projektes der Deutschen Forschungsgemeinschaft mehrere Jahre begleitete und erforschte, nachzuweisen.

Schulwege sind Lernorte

Wie weit eine gut vernetzte Planung in diesen Bereichen gehen kann, verdeutlicht Frau Million an mehreren Beispielen. So ist bei einem Bildungscampus auch die kommunale Verkehrsplanung gefragt. Im Idealfall werden die Linienführung und die Fahrzeiten des ÖPNV angepasst. Wege und Umgebung eines zu planenden Bildungsortes können über dessen Nutzung entscheiden, und nicht zuletzt geht es nicht nur um formelle Bildungsorte innerhalb von Gebäuden, sondern auch um informelles Lernen. „Fragen Sie mal in Ihrer Kommune, ob es eine abgestimmte Schulwegeplanung gibt“, fordert Angela Million die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Bildungswerkstatt auf, denn auch „Schulwege sind Lernorte“.

Räumliche Nähe schafft noch keine gemeinsamen Konzepte

Ein besonderes Augenmerk legt die Referentin darauf, welche Möglichkeiten sich in der Kombination vorhandener mit neuer Infrastruktur eröffnen. So kann ein marginalisiertes Quartier, in dem ein altes Freibad, ein dringend sanierungsbedürftiges Gymnasium und eine Sozialstation des DRK liegen, eine gute Grundlage sein, mittels einer Kooperation zwischen diesen Institutionen einen Bildungsort zu entwickeln und den Stadtteil aus der Marginalisierung zu heben. Überhaupt liegt in innovativen, kombinierten Nutzungen eine große Chance: Wenn Kitas und Seniorenheimen räumlich nah und konzeptionell verzahnt wären, dann kann das einen psychologischen Mehrwert für Kinder und für die alten Menschen bringen. Jedoch muss das durchdacht, gewollt und einige Regelungen und Vorschriften innovativ interpretiert werden.

Neben den vielen Beispielen der Nutzung vorhandener Substanz soll ebenso auf das Gegenteil hingewiesen werden: Insbesondere in schrumpfenden Regionen kann es sinnvoll sein, sich gegen eine vorhandene (periphere) Substanz und für einen Neubau in der Innenstadt des regionalen Zentrums zu entscheiden, um die Mittelstadt langfristig zu sichern.

Partizipation schafft Akzeptanz

Herr Anspach zeigt am Beispiel des Vorgehens der Montag Stiftung Urbane Räume, wie Projekte im Stadtteil kooperativ entwickelt werden. Insbesondere der nachhaltigen Nutzung, wozu die Sicherstellung der laufenden Kosten nach einer Projektförderung bzw. dem Einsatz der Stiftung gehören, gilt sein Vortrag. Die Montag Stiftung hat dafür konkrete Maßnahmen bei der Projektentwicklung getroffen, die von vornherein einplant, Engagement, Bildung und Ökonomie zu verbinden. Dabei wird für die Zeit nach der Bau- bzw. Umbauphase ein Konzept entwickelt, wie beispielsweise Schule, Unternehmen, Vereine sowie Wohnraum und öffentliche Räume kombiniert werden können und alle Nutzer gemeinsam Einnahmen generieren, die die laufenden Verwaltungs- und Instandhaltungskosten einbringen. Wichtig ist, so Herr Anspach, insbesondere in marginalisierten Stadtteilen die Anwohner/innen von Anbeginn in die Konzepte einzubeziehen. Nur so könne man zu Akzeptanz und gemeinsamer Nutzung kommen, die dazu führen, dass die Projekte langfristig gelingen.

Nach diesem reichhaltigen Input, der Praxisbeispiele mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen verschiedener Forschungsprojekte und einer Menge Know-how, wie diese Prozesse anzufassen sind, verband, kommen mit Stefan Anspach von der Montag Stiftung Urbane Räume und Frauke Kötter, der Leiterin des Quartiers-Bildungszentrums Morgenland in Bremen, zwei Referenten aus der Praxis zu Wort.

Wohnen und Arbeiten mit Bildung verbinden

Daneben stellt Herr Anspach Projekte vor, die über sogenannte VIERTELstunden – also Arbeitsstunden der Nutzer/innen - für Bildungs- und Begegnungsangebote für Bewohner/innen des Viertels sorgen. In den Mietverträgen werden Arbeitsstunden pro Jahr und Quadratmeter vereinbart. So können Vereine und soziale Unternehmen, gleichberechtigt mit Unternehmen die Immobilien nutzen. Handelt es sich ausschließlich um eine soziale Nutzung, können Fördermittel, sofern sie dauerhaften gesetzlichen Grundlagen entspringen (wie bspw. der Jugendhilfe), die Basis für Nachhaltigkeit sein. Die Stiftung will mit ihrem Ansatz, Wohnen, Arbeiten, Bildung, Kultur und Nachbarschaft in den Quartieren verbinden, indem sie Immobilien in schwierigen Lagen saniert, den Nutzern zu einem günstigen Mietpreis überlässt und die Mieter mit ihren vielfältigen Konzepten die Quartiere beleben.

Bildungszentren vernetzen Akteure und Angebote im Quartier

Mit dem dritten Input stellt Frauke Kötter vom Quartiers-Bildungszentrum Morgenland (QBZ) aus Bremen-Gröpelingen den gesamten Prozess eines in sich stimmigen Konzepts vor, wie sich eine kommunale Bildungslandschaft sowohl baulich als auch in ihren politischen wie administrativen Voraussetzungen umsetzen lässt: vom politischen Beschluss, QZBs in Bremen zu etablieren bis zur baulichen Realisierung und der dazu notwendigen Beteiligungsprozesse mit Kitas, Schulen, Vereinen und Bewohner/innen sowie der dafür notwendigen ressortübergreifenden Arbeitsgruppe aus Bildung, Bau und Sozialem in der Stadtverwaltung. Heute beherbergt das QBZ Morgenland neben dem lokalen Bildungsbüro auch das Quartiersmanagement (WiN-Büro) sowie eine aufsuchende Bildungsberatung und die Werkstatt für Wort und Sinn.

Der weitreichende Zielgruppenfokus, der sich nicht nur auf Kinder und Jugendliche richtet, sondern auch Eltern, Familien sowie die Teams und Kollegien der Bildungseinrichtungen einbezieht, stellt hier ebenfalls eine Innovation für Vernetzung dar. Dabei wird schulische, frühkindliche und kulturelle Bildung verzahnt und mit Bildungsberatung in den verschiedenen Bereichen kombiniert. Die Zusammenarbeit mit der Verwaltung ist nach der Entwicklungs- und Bauphase weiterhin sichergestellt. So wird das QBZ regelmäßig für Bildungskonferenzen und Veranstaltungen genutzt, stellt nach wie vor auch eine Rückmeldung von Informationen aus dem Stadtteil in die Ressorts der Verwaltung sicher und möchte ein aus der Praxis fundierter Motor der Kooperations- und Qualitätsentwicklung sein.

Mit diesen reichlichen Informationen aus den drei Vorträgen gehen die Teilnehmenden nun in eine Austauschrunde, in denen das Gehörte und bereits in den Pausen Diskutierte vor dem Hintergrund der eigenen Rahmenbedingungen besprochen und ausgetauscht wird.

Fazit

Als Fazit des Tages bilden sich für das kommunale Bildungsmanagement drei wesentliche Erkenntnisse heraus:

  • Bildungsmanagement und Stadtentwicklung können nur gemeinsam ihre ganze Wirkung entfalten. Diese Idee muss nur noch verbreitet werden!
  • Eine Kombination von Förderpolitiken ist das A und O und dafür braucht es den Austausch mit anderen Kommunen, die das geschafft haben.
  • Die Stadtentwicklung kommt nur während der Bauplanung zum Zug. Sind die Maßnahmen baulich abgeschlossen, ist das Bildungsmanagement gefragt, um die Bildungslandschaft zu erhalten und nachhaltig zu sichern.

In der Gesamtschau ist die Gestaltung städtischer Bildungsräume ein zukunftsweisendes Arbeitsfeld, das in Anbetracht der guten Beispiele auf der einen Seite und der Situation und Masse an baulichen Notwendigkeiten vieler Kommunen auf der anderen Seite, in jeder Kommune einen Personenkreis aus Stadtentwicklung, Quartiersmanagement und Bildungsmanagement interessieren sollte.

 

Weiterlesen:

Technische Universität Berlin, Institut für Stadt- und Regionalplanung - Lokale Bildungslandschaften und Stadtentwicklung

Montag Stiftung Urbane Räume

Quartiers-Bildungszentrum Morgenland

Kontakt

Ulrike Richter, Veranstaltungen

Tel.: 0345-6817821 E-Mail: urichter@dji.de