Schulvermeidung begegnen –
was Kommunen tun können

Die Förderung der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen ist seit der Corona-Pandemie von wachsender gesellschaftlicher Bedeutung. Nur so können die Folgen krisenbedingter Belastung wie die Zunahme von schulvermeidendem Verhalten vermindert werden. Auf kommunaler Ebene ist dies eine politische Querschnittsaufgabe. Kommunales Bildungsmanagement kann dabei helfen, Kräfte innerhalb der Kommune zu bündeln und die verschiedenen fachlichen Perspektiven auf das Thema zusammenzuführen.

Kräfte bündeln!

Kommunales Bildungsmanagement kann verbindliche Netzwerkstrukturen initiieren und unterstützen.

Um auf kommunaler Ebene die Unterstützungsstrukturen auszubauen, braucht es zunächst Kenntnisse über die örtliche Versorgungs- und Bedarfslage: Wie viele Schülerinnen und Schüler sind von schulvermeidendem Verhalten betroffen oder gefährdet? Welche Unterstützungsangebote gibt es oder werden gebraucht?

Eine Herausforderung besteht jedoch darin, verlässliche Informationen über die Versorgungslage von Kindern und Jugendlichen mit psychosozialen Angeboten bereitzustellen. Kommunale Fachplanungen wie Jugendhilfeplanung, Sozialplanung und Psychiatrieplanung liefern zwar Informationen über Teilbereiche der örtlichen Angebotslandschaft – aber keinen Gesamtüberblick. Kommunales Bildungsmonitoring kann hier Abhilfe schaffen und eine Übersicht über die kommunalen Unterstützungsstrukturen erstellen.

Mit Bildungsmonitoring die Datenlücke beim Thema Schulvermeidung schließen

Das Handlungsfeld „Schulvermeidung“ ist von einem Mangel an vergleichbaren Daten geprägt. Häufig scheitern Erhebungen schon allein an einer einheitlichen Festlegung, ab wann Fehlzeiten als problematisch und als „schulvermeidendes Verhalten“ eingestuft werden. Hier gibt es einerseits regionale und kommunale Unterschiede. Andererseits werden Fehlzeiten von Lehrkräften, Eltern und den Schülerinnen und Schülern jeweils unterschiedlich bewertet.

Datenbasiertes kommunales Bildungsmanagement (DKBM) kann auf kommunaler Ebene darauf hinwirken, dass sich die Akteure in der Kommune auf eine einheitliche Definition von „Schulvermeidung“ einigen sowie einen Fehlzeitbereich festlegen, der als problematisch gilt. Auf dieser Basis kann Bildungsmonitoring mit kommuneneigenen Erhebungen die Daten- und Wissenslücke im Handlungsfeld schließen.

Schulbefragungen können (wie im Fall der Stadt Eisenach) über die Ursachen Aufschluss geben, warum Schülerinnen und Schüler dem Unterricht fernbleiben. Das Bildungsmonitoring kann bei der Konzipierung von Schulbefragungen mitwirken oder bestehende Befragungen erweitern, beispielsweise durch Zusatzfragen zum Anstieg von schulvermeidendem Verhalten seit der Corona-Pandemie oder zur Entwicklung der Nachfrage von Hilfe- und Beratungsangeboten. Auch Schüler- und Elternbefragungen zu ihrem Unterstützungsbedarf können gemeinsam mit dem Bildungsmonitoring entwickelt und durchgeführt werden. 

Wie kann die Datengrundlage genutzt werden?

Erkenntnisse aus solchen Erhebungen befähigen Kommunen zu einer differenzierteren Problemwahrnehmung. So können sie eine Orientierung liefern, wie und wo Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe quantitativ und qualitativ gestärkt sowie Angebote der psychosozialen Beratung, Erziehungsberatung und besonders der Schulsozialarbeit gefördert werden müssen. Mithilfe von Bildungsmonitoring kann etwa eine Überprüfung der sozialräumlichen Verteilung von Schulsozialarbeit an den Schulen, ein bedarfsgerechter Ausbau von Beratungsangeboten und Angeboten der offenen Kinder- und Jugendarbeit erfolgen.

Die Verteilung von Fördermitteln für derartige Maßnahmen (wie aus dem Aktionsprogramm des Bundes „Aufholen nach Corona“) kann durch ein kontinuierliches Bildungsmonitoring sozialräumlich differenzierter statt nach Gießkannenprinzip erfolgen – etwa mithilfe von Schulsozialindizes, welche die ungleichen Ausgangsbedingungen der Schulen sichtbar machen.

DKBM kann verbindliche Netzwerkstrukturen initiieren und unterstützen

Entscheidend ist die kontinuierliche Zusammenarbeit der relevanten Akteure, Institutionen und Ämter aus dem schulischen und außerschulischen Bereich. Nur im Netzwerk kann eine realistische Problemeinschätzung vorgenommen, können verbindliche Ziele formuliert und wirkungsvolle Maßnahmen entwickelt werden.

Kommunales Bildungsmanagement kann die Vernetzung der verschiedenen fachlichen Perspektiven aus Jugend-, Sozial- und Gesundheitsamt mit verwaltungsexternen Fachkräften initiieren. Es kann entweder bestehende Netzwerke selbst begleiten oder die Entwicklung anderer, netzwerkunterstützender Strukturen in die Wege leiten. Ein gutes Beispiel sind hier die in Sachsen-Anhalt seit 2008 flächendeckend ESF-geförderten, regionalen Netzwerkstellen im Programm „Schulerfolg sichern“.

Eine verbindliche Kooperation der Akteure braucht es vor allem für die fachübergreifende Erarbeitung und Umsetzung von Handlungskonzepten an Schulen, wenn Schulvermeidung auftritt. Als ein Beispiel von vielen sei hier das „Konzept Schulabsentismus“ der Stadt Dresden genannt, welches eine fachübergreifende Arbeitsgruppe des Dresdner Jugend- und Sozialamtes zusammen mit pädagogischen Fachkräften entwickelte.

Junge Menschen wieder mehr in den Blick nehmen

Die konkreten Maßnahmen und Unterstützungsangebote, die bei schulvermeidendem Verhalten in Frage kommen, sind sehr vielfältig. Neben den rar gesäten Therapieangeboten für Kinder und Jugendliche, wächst die Bedeutung von Hilfsangeboten im niedrigschwelligen Bereich. So will zum Beispiel das Bundesjugendministerium im Rahmen eines Modellprogramms im Schuljahr 2023/24 „Mental Health Coaches“ an Schulen fördern, welche Kindern und Jugendlichen bei Sorgen aber auch akuten psychischen Krisen zu Seite stehen und weitere Unterstützung vermitteln.

Im Bereich der präventiven Handlungsansätze gibt es viel Gestaltungsspielraum für Kommunen und das kommunale Bildungsmanagement, denn die Weiterentwicklung von präventiven Maßnahmen bedarf der beständigen Abstimmung und Koordination im lokalen Netzwerk verschiedener Fachkräfte.

Die Zusammenarbeit von Lehrkräften und Fachkräften der Jugend- und Schulsozialarbeit ermöglicht das frühzeitige Erkennen von schulvermeidendem Verhalten. Neben Maßnahmen zur individuellen Förderung der Jugendlichen, der Gestaltung des Unterrichts und des Schulklimas bedarf es auch einer gleichberechtigten Zusammenarbeit mit den Eltern.

Nimmt sich DKBM der Weiterentwicklung von Unterstützungsstrukturen sowie der Koordination präventiver Maßnahmen in diesem Handlungsfeld an, so verhilft es nicht nur der Problematik selbst zu mehr Aufmerksamkeit. Auch die Ursachen sowie die Sichtweisen und Bedürfnisse junger Menschen können durch das Wirken von DKBM wieder mehr in den Blick von Politik und Gesellschaft gelangen.

Kontakt

Sabine Lucks

Tel.: 0345-6817896 E-Mail: lucks@dji.de

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