Mittelsachsen nimmt Inklusion an allgemeinbildenden Schulen in den Blick

Der Landkreis Mittelsachsen hat seinen ersten Fachbericht zur Inklusion fertiggestellt. Im Fokus steht der aktuelle Stand der Inklusion von Kindern und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Bildungsmonitorerin Betty Fischer analysierte die Entwicklung inklusiver Ansätze an 129 allgemeinbildenden Schulen, darunter 14 Förderschulen. Wir haben sie befragt.

Betty Fischer, Bildungsmonitorerin im Landkreis Mittelsachsen

Frau Fischer, was hat das Bildungsmonitoring zu diesem Fachbericht veranlasst?

Die Vision einer inklusiven Gesellschaft begleitet die Politik bekanntlich schon eine Weile. Spätestens mit der Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtkonvention und der Anerkennung des Rechtes von Menschen mit Behinderung auf gleichberechtigte Teilhabe an Bildung rückte das Ziel eines gemeinsamen Lernens in den Fokus.

Die Novellierung des Sächsischen Schulgesetzes zum Schuljahr 2018/19 brachte erneut Bewegung in das Thema: Die rechtliche Grundlage für einen angestrebten gemeinsamen Unterricht wurde erweitert. Zusätzlich hat man die Bildung regionaler Kooperationsverbünde im Gesetz fixiert. Diese haben die Aufgabe, die sonderpädagogische Förderung und den inklusiven Unterricht mit zumutbaren Schulwegen zu sichern. Im Landkreis Mittelsachsen sollen insgesamt fünf Kooperationsverbünde gebildet werden. Zwar ist dieser Prozess aufgrund der Corona-Pandemie noch nicht abgeschlossen. Es kündigen sich aber Veränderungen in der Bildungslandschaft an, die es langfristig in den Blick zu nehmen gilt.

Unser Fachbericht ist eine Bestandsaufnahme zur bisherigen Entwicklung inklusiver Beschulung im Landkreis Mittelsachsen. Der gewonnene Überblick dient dem Bildungsmanagement zunächst in der Begleitung der konstituierenden Beratungen der Kooperationsverbünde.

Wie sind Sie bei der Erstellung des Berichts vorgegangen?

Da es bis dato keine Datengrundlage gab, um Einschätzungen zur inklusiven Beschulung im Landkreis treffen zu können, mussten zunächst relevante Datenquellen recherchiert und aufbereitet werden, bevor es an die Auswertung ging. Parallel dazu haben wir die zu betrachtende Zielgruppe definiert.

Zur Förderung inklusiver Unterrichtung nimmt das Sächsische Schulgesetz Schülerinnen und Schüler in den Blick, die einer zusätzlichen, sonderpädagogischen Förderung bedürfen. Das war auch unsere Zielgruppe. Hierbei ist zwischen Kindern und Jugendlichen mit Behinderung und jenen mit sonderpädagogischem Förderbedarf zu unterscheiden, denn nicht alle Schülerinnen und Schüler mit einer Behinderung verfügen über einen sonderpädagogischen Förderbedarf und umgekehrt.

Die Schulstatistik gibt zwar einen Überblick über die Verteilung dieser Schülerinnen und Schüler an Förder- und Regelschulen. Aussagen zu den Förderschwerpunkten können daraus jedoch nicht abgeleitet werden. Ebenso fehlen Informationen zu Absolventinnen und Absolventen bzw. zu denen, die von der Schule ohne Abschluss abgehen. Hierfür haben wir Erhebungen des Statistischen Landesamtes des Freistaates Sachsen herangezogen. In der Summe der gewonnenen Daten entstand ein deskriptiver Überblick über Kinder und Jugendliche an allgemeinbildenden Schulen im Landkreis Mittelsachsen nach Schulart und Förderschwerpunkten. Zudem konnte eine räumliche Auswertung nach Sozialregionen erfolgen und Entwicklungen seit dem Schuljahr 2011/12 abgebildet werden.

Ein wichtiger Punkt war auch die Auswahl von Indikatoren. In relevanten Publikationen finden sich verschiedene Indikatoren zur Darstellung der Entwicklung inklusiven Unterrichts. Zu nennen sind hier beispielsweise die Förder- oder Inklusionsquoten. Da die Nutzung der Inklusionsquote zur Überprüfung des Entwicklungsfortschrittes nicht unstrittig ist, wurden im Bericht verschiedene Indikatoren – darunter auch die Exklusionsquote – abgebildet. Über die abgebildeten Indikatoren wurde ein sachsenweiter und teilweise deutschlandweiter Vergleich der Werte möglich.

Abb: Anzahl der Inklusions- und Förderschüler/-innen sowie der Regel- und Förderschulen in den Sozialregionen des Landkreises Mittelsachsen im Schuljahr 2019/20, Quelle: Betty Fischer

Wem soll der Fachbericht eine Arbeitsgrundlage sein?

Die erarbeitete Datenbasis soll unter anderem eine Arbeitsgrundlage für die Schulnetzplanung sein. Da das Landesamt für Schule und Bildung keine Prognose der Förderschülerzahlen mehr erstellt, ist es im Interesse des Landkreises als Schulnetzplanungsträger, die Entwicklung der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf an Regel-  und Förderschulen besser im Blick zu behalten. So ist es möglich, besser auf Änderungen in der Bildungslandschaft reagieren zu können.

Zudem dienen die räumlich differenziert ausgewerteten Daten dem gezielten Austausch mit den Moderatorinnen und Moderatoren der Kooperationsverbünde. Sie sind eine Schnittstelle zu den einzelnen im Kooperationsverbund mitwirkenden Schulen. Der Landkreis hat als Schulnetzplanungsträger schließlich ein großes Interesse daran, die Bildung der Kooperationsverbünde zu begleiten und die daran anknüpfenden Entwicklungen zu verfolgen.

Wo sehen Sie Knackpunkte, die das DKBM und seine Partner langfristig beschäftigen werden?

Der Erfolg, Kinder und Jugendliche mit und ohne sonderpädagogischem Förderbedarf gemeinsam zu unterrichten, hängt von vielen Faktoren ab. Wir können die Entwicklung zahlenmäßig verfolgen und für das Thema sensibilisieren. Die Inklusion ist letzten Endes jedoch in den Schulen umzusetzen. Die personellen, räumlichen und sächlichen Voraussetzungen sind da ganz unterschiedlich. Eine wichtige Größe stellen sicherlich die Lehrenden und das pädagogische Personal dar. Hier ist darauf zu hoffen, dass durch die stärkere Vernetzung über die Kooperationsverbünde eine Synergie entsteht, die der Sache Aufschwung und Offenheit bringt.

Was planen Sie als nächstes?

Der Fachbericht wurde bereits in verschiedenen Gremien vorgestellt und wird noch weitere Kreise ziehen. So wurde er unter anderem in der Arbeitsgruppe Integrierte Sozialplanung präsentiert, in der verschiedene Mitarbeitende der Abteilungen des Geschäftskreises „Ordnung, Soziales und Gesundheit“ vertreten sind. Geplant war außerdem eine gemeinsame Beratung der Arbeitsgruppe des Kreistages zur Schulnetzplanung und Schülerbeförderung  und dem Behindertenbeirat des Landkreises zum Thema Inklusion.  Hier waren auch Vertreterinnen und Vertreter des Landesamtes für Schule und Bildung geladen. Aufgrund der Corona-Pandemie musste diese Veranstaltung allerdings verschoben werden.

Wenn alle Kooperationsverbünde gebildet sind, ist ein regelmäßiger Austausch mit ihren Moderatorinnen und Moderatoren geplant. Da den Kooperationsverbünden berufsbildende Schulen angehören, wird in einem der nächsten Schritte die Auswertung der Inklusionsschülerzahlen an berufsbildenden Schulen erfolgen. Inwieweit dazu ein eigener Fachbericht erstellt wird oder sich die Fortschreibung des aktuellen Berichts um die Inklusionsschülerinnen und -schüler in der beruflichen Ausbildung erweitert, ist noch offen. Eine fortlaufende Aufgabe wird es sein, die Entwicklung aller Daten im Blick zu behalten. Hierfür werden die Daten in jedem Schuljahr ergänzt und ausgewertet.

 

Kontakt

Das Interview führte Dr. Cornelia Leser, Kommunalberatung Sachsen.

Tel.: 0341-99392316 E-Mail: leser@dji.de