Im Interview:
Das Bildungsbüro als Denkfabrik

Wir sprachen mit Dr. Lars Knopke, Leiter des Amtes für Bildung, Kultur und Sport, über Aufbau und Arbeitsweise des Bildungsbüros im Burgenlandkreis. Vor knapp zwei Jahren unterschrieb der Burgendlandkreis eine Zielvereinbarung mit unserer Agentur, rief das "Amt für Bildung" ins Leben und begann mit dem Aufbau eines kommunalen Bildungsmanagements. Im Interview berichtet Amtsleiter Knopke von seinen Beweggründen, Herausforderungen und Erfahrungen.

Warum setzt der Burgenlandkreis auf kommunales Bildungsmanagement? 

Der Burgenlandkreis ist dieser klassische, von demographischen Entwicklungen geplagte Landkreis. Im Osten der Republik, in einer strukturschwachen Region mit starker Abwanderung und extremer Konkurrenz durch Städte wie Leipzig, Halle und Jena. Wir haben hier all die klassischen Probleme, die derzeit diskutiert werden: Fachkräftemangel, Anstieg von Sozialausgaben, Herausforderungen in der Jugendhilfe und im sozialen Bereich an den Jobcentern.

Es ist ein klarer Befund, dass viele von hier weggehen, um ihre Zukunft anderswo zu finden. Um dieser Entwicklung etwas entgegen zu setzen und als ländlich geprägter Kreis ohne große Städte, ohne große Anziehungspunkte dennoch attraktiv zu bleiben, haben wir beschlossen, an der Bildung anzusetzen. So hat es angefangen vor zwei Jahren.

Was muss man sich unter einem Bildungsbüro vorstellen? 

Ein anderer Begriff, den unser Landrat Götz Ulrich geprägt hat, ist "Denkfabrik". Er beschreibt ganz gut, was dieses Bildungsbüro eigentlich macht. Es ist ein großer Raum voller Leute, die über Bildung nachdenken und die versuchen, den vom Burgenlandkreis eingeschlagenen Weg zum kommunalen Bildungsmanagement mit Leben zu füllen.

Hier im Landkreis laufen aktuell viele Förderprogramme auf Bundes- und Landesebene mit Bildungsbezug. Diese Programme wollten wir an einem Ort zusammenführen und koordinieren. Ziel war es, die Menschen, die in diesen Programmen beschäftigt sind, zusammenzubringen. Sie sollen sich kennenlernen, miteinander reden und ihr Vorgehen aufeinander abstimmen. Hierfür haben wir sieben zusätzliche Kolleginnen und Kollegen eingestellt, die im Wesentlichen aus Mitteln des "Europäischen Sozialfonds" finanziert werden. Bis Mitte 2016 sollen es elf werden. Diese elf sitzen dann zwar nicht mehr alle in einem Büro, haben aber alle eine Aufgabe: Gemeinsam zu überlegen, wie wir das Thema Bildung im Burgenlandkreis voranbringen können. 

Warum haben Sie das Bildungsbüro ins Leben gerufen?

Wir standen 2015 vor der Situation, dass eine Vielzahl neuer Bildungsprogramme auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene auf den Weg gebracht werden sollten. Wir hatten also gar keine Wahl. Es hieß: entweder jetzt mitmachen oder nicht. Zu dieser Zeit hatte ich gerade frisch als Leiter im noch neuen "Amt für Bildung" angefangen. 

Ich wusste, dass da eine große Aufgabe auf uns zu kommt, die sich mit dem bisherigen Personal nicht bewältigen lässt. Diese Kolleginnen und Kollegen waren in klassische Verwaltungsaufgaben des Landkreises eingebunden. Da war wenig Raum für Neues. Wir brauchten also Menschen, die sich den Aufgaben aus den neuen Förderprogrammen mit voller Kraft annehmen konnten.

Nach erfolgreichen Antragstellungen, haben wir dann in relativ kurzer Zeit neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die anstehenden Aufgaben einstellen können. Das war in einer Zeit, als das Thema Bildungsmanagement für uns alle noch sehr neu war. Keiner von uns war auf diesem Gebiet ein alter Hase.

Wir standen vor der Aufgabe, uns im neu entstanden "Amt für Bildung" zusammenzufinden. Da waren das neu eingestellte Personal aus den Förderprogrammen, die Kolleginnen und Kollegen aus der Verwaltung und ich als neuer Amtsleiter. Es galt, einen gemeinsamen Weg zu strukturieren und unsere Arbeit aufeinander abzustimmen. Wie bringen wir jetzt all unsere Bildungsaktivtäten zusammen? – Das war die Frage, die uns am Anfang beschäftigte. Wir brauchten eine Koordinierungsstelle innerhalb der Kommunalverwaltung, die die Fäden im Bildungsbereich zusammenhält. Die Idee des Bildungsbüros war geboren. 

Wer arbeitet dort an welchen Themen? 

Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bildungsbüro kommen aus der Soziologie, der Pädagogik und den Erziehungswissenschaften. Sie alle verstehen etwas von Bildung und gesellschaftlichen Veränderungsprozessen. Das Team ist bunt gemischt, sowohl fachlich als persönlich. Das war uns sehr wichtig, denn wir wollten wechselseitig von unseren Erfahrungen und Kenntnissen profitieren. 

Gemeinsam kümmern wir uns aktuell um vier Förderprogramme. Der thematische Kern ist das Programm "Bildung integriert" des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Im Rahmen dessen haben wir zwei geförderte Koordinierungsstellen, die sich um die Weiterentwicklung unseres Bildungsmanagements kümmern.  

Dann gibt es im Land Sachsen-Anhalt das Programm "Schulerfolg sichern". In diesem Programm werden im Burgenlandkreis 30 Schulsozialarbeiter an verschiedenen Schulformen beschäftigt. Im Bildungsbüro sitzen drei Leute, die die Koordination dieser Schulsozialarbeiter übernehmen und sie unterstützen. Es geht um Aus- und Weiterbildung und darum, einen roten Faden in die Sozialarbeit an den Schulen einzuweben.

Eine weitere Kollegin koordiniert "Jugend stärken im Quartier". Das Programm hilft benachteiligten Jugendlichen, die man über die Jobcenter, Jugendhilfe oder Schulsozialarbeit nicht mehr erreicht, ins Bildungssystem zurückzukehren. Darüber hinaus hat das Land Sachsen-Anhalt damit begonnen, Programme, die Gefahr laufen aneinander vorbei oder sogar in Konkurrenz zu arbeiten, zusammenzudenken. Hier geht es um verschiedene beschäftigungspolitische Förderprogramme, wie z.B. "Stabil" oder die "Jobperspektive 58 Plus". Hierfür finanziert das Land eine Koordinierungsstelle, die die Abstimmung zwischen den Programmen sicherstellt. Das ist unser siebter Kollege.

Aktuell beteiligen wir uns an einer Ausschreibung des BMBF für die Förderung einer weiteren Koordinierungsstelle. Sie soll in der aktuellen Situation die Bildungsangebote von Zugewanderten koordinieren und aufeinander abstimmen. Zu guter Letzt gibt es noch "RÜMSA – Regionales Übergangsmanagement Sachsen-Anhalt". Das Programm stellt Mittel und Personal zur Verfügung, um den Übergang von der Schule in den Beruf zu koordinieren. Auch hier werden wir in Kürze drei Kollegen bekommen, die das machen.

Mit all diesen Programmen und dem dazugehörigen Personal ist es uns möglich, ein breites Spektrum unterschiedlichster Bildungsaktivitäten im Sinne eines kommunalen Bildungsmanagements zusammenzudenken: Wir haben die Schulsozialarbeit, mit einem Fokus auf frühkindliche Bildung als Präventionsansatz, wir haben die Jugendlichen, die durch Regelangebote nicht mehr erreicht werden können, wir kümmern uns um Bildungsübergänge und passende beschäftigungspolitische Maßnahmen bis ins hohe Alter. Das heißt, wir haben die Möglichkeit, Bildungsangebote von der Geburt bis zum 58. Lebensjahr bereitzustellen und im Bildungsbüro zu koordinieren. 

Wie schaffen Sie es, mit Ihrer Arbeit in den Landkreis hinein zu wirken? 

Das ist eine der Kernfragen im kommunalen Bildungsmanagement. Der Burgenlandkreis besteht aus vier ehemaligen Landkreisen, die im Rahmen der Gebietskörperschaften immer wieder zusammengelegt wurden. Hierzu gehören elf kreisangehörige Städte und Gemeinden, die im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung für sich selbst zuständig sind, und die auch nicht darauf warten, dass einer alles besser weiß.

Wir haben fast 200.000 Einwohner und eine enorme Vielfalt an Akteuren. Wir haben rund 90 Schulen im Landkreis und rund 150 Kindertagesstätten. Alleine der Bereich "Schulische und vorschulische Bildung" ist auf der staatlichen Ebene mit über 200 einzelnen Akteuren belegt. Dazu gehören die Leiter, die Eltern und die verschiedenen Interessenverbände rund herum. Diese und viele weitere Ebenen gilt es zu koordinieren.

Wir haben angefangen, das "Amt für Bildung" als Dienstleister für den gesamten Landkreis zu definieren. Das bedeutet, wenn jemand ein Problem hat, wo "Bildung" drauf steht, fühlen wir uns zuständig. Entweder können wir sofort helfen oder wir müssen gemeinsam über eine Lösung nachdenken. Das Signal ist klar: Wir wollen das im Landkreis gemeinsam angehen!

Hier kommen dann die Gremien ins Spiel. Ziel ist es, die Netzwerke und Arbeitsgruppen im Landkreis sinnvoll aufeinander abzustimmen. Da sind wir noch am Anfang. Es gibt Überlegungen, im Rahmen des Bildungsmonitorings diese Gremien überhaupt erst einmal zu erfassen, denn nur so können wir nach Lücken suchen. 

Wir haben beispielweise herausgefunden, dass es auf der Arbeitsebene der Träger von schulischer und vorschulischer Bildung keine systematischen Abstimmungsstrukturen gibt, d.h. die Gemeinden als Träger der Grundschulen und Kindertagesstätten können ihr Handeln nicht ohne weiteres mit dem Landkreis als Träger der Sekundarschulen, Gymnasien und Förderschulen abstimmen. Aktuell sind wir dabei, eine Arbeitsgruppe zu bilden, in der sich unsere elf Gemeinden und der Landkreis an einen Tisch setzen und zum Beispiel überlegen können, wie man Kinder von Asylbewerbern am besten im Schulwesen unterbringt.  

Ein zweites Beispiel ist unser neu ins Leben gerufene "Regionaler Arbeitskreis für Arbeitsmarktpolitik". Unser Ansatz war es, Arbeitsmarkt und Bildung zusammenzudenken, denn der Großteil der Maßnahmen, die Jobcenter und Arbeitsagenturen durchführen, sind Bildungsangebote. Das Gremium bietet den Verantwortlichen aller an diesem Prozess beteiligten Einrichtungen eine Plattform, sich über die Grundlinien der Arbeitsmarktpolitik im Landkreis zu verständigen.

Am Tisch sitzen dann beispielsweise der Geschäftsführer der Bundesagentur hier im Burgenlandkreis, der Chef des Jobcenters, unser Landrat, das "Amt für Bildung", das Jugendamt, die IHK, die Handwerkskammer, der Städte- und Gemeindebund, Unternehmensvertreter u.a.m. Wir versuchen also alle, die auf dem Arbeitsmarkt agieren einzubinden und so diesen Bereich zu koordinieren.

Das sind zwei Beispiele für die zaghaften Versuche, die Vielfalt und Komplexität im Landkreis unter einen Hut zu bringen. 

Wie reagiert die Politik auf Ihr Vorhaben?

Fast ausschließlich positiv. Also, dass Bildung wichtig ist und Kinder unsere Zukunft sind, zweifelt niemand an. Da sind sich alle einig. Diskussionen kommen dann erst auf der Ebene der Umsetzung ins Spiel. Beim Thema kommunales Bildungsmanagement hat unser Landrat von Anfang an die politische Ebene mit einbezogen. Er hat den Kreistag und den "Ausschuss für Bildung, Kultur und Sport" über alle geplanten Schritte informiert. Von dieser Seite aus gab es immer Unterstützung, hier wurde nichts ausgebremst. Hier im Burgenlandkreis ist man sich den aktuellen Herausforderungen bewusst und weiß, welche Schlüsselrolle die Bildung dabei spielt. Deshalb ist jeder froh, wenn wir uns der Sache annehmen. Ein Legitimationsproblem gab es nicht.

Welchen Tipp haben Sie für andere Kommunen? 

Entscheidend ist, das Thema an der Verwaltungsspitze anzusiedeln. Der Chef der Verwaltung, der Oberbürgermeister oder der Landrat muss das Thema zur Chefsache machen. In der Vielfalt an Interessen und Zuständigkeiten ist es kaum möglich, zu überzeugen, ohne die Zustimmung der relevanten Entscheider im Rücken zu haben.

Welche Rolle spielt die Transferagentur?

Egal, ob wir Pädagogen, Bildungswissenschaftler oder Verwalter sind, beim Thema kommunales Bildungsmanagement betreten wir und viele andere Landkreise Neuland. Es gibt kein Lehrbuch, keine Musterlösungen, die man einfach übernehmen könnte – jeder muss seinen eigenen Weg finden. Deshalb kann man auch nur schwer vom Nachbarkreis abgucken. Hier gibt es andere Voraussetzungen, andere Strukturen, andere Akteure.

Für uns ist es hilfreich, die Berater der Transferagentur an unserer Seite zu haben. Leute, die das schon erfolgreich bei "Lernen vor Ort" gemacht haben und deshalb wissen, wovon sie sprechen. Das ist ein schöner Mantel um das ganze Thema. Ich will nicht sagen, der wärmt, aber es ist eben schön, wenn jemand da ist, den man fragen kann und wo man weiß, man ist nicht ganz alleine bei so einer schwierigen Aufgabe.

Sehen Sie hier das ungekürzte Interview. Weitere Videos finden Sie hier.

Kontakt

Norbert Blauig-Schaaf, Kommunalberatung Sachsen-Anhalt

Tel.: 0341-99392314 E-Mail: blauig-schaaf@dji.de