Neben der geeigneten Unterbringung von Geflüchteten stehen Kommunen infolge der Fluchtbewegung aus der Ukraine vor weiteren Aufgaben: So gilt es, eine ausreichende Anzahl an Kita- und Schulplätzen für geflüchtete Kinder und Jugendliche bereitzustellen. Die Bewältigung dieser Aufgaben ist angesichts anderer Herausforderungen wie steigende Energiekosten und Personalengpässe umso schwieriger. Nachfolgend werden konkrete Problemstellungen im Bildungsbereich näher beleuchtet.
Bis auf Polen hat kein EU-Land so viele Geflüchtete aufgenommen wie Deutschland. Ein Drittel von ihnen sind Kinder und Jugendliche.
Seit Ende Februar dieses Jahres sind rund eine Million Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland registriert worden. Wie viele Geflüchtete sich aktuell in Deutschland aufhalten, kann nicht genau bestimmt werden, da ein Teil der Geflüchteten in andere Länder weitergereist oder wieder in das Heimatland zurückgekehrt sein könnte. Neben der Fluchtbewegung aus der Ukraine steigt parallel die Zahl der Schutzsuchenden aus anderen Ländern. In diesem Jahr wurden bis August ca. 115.000 Erstanträge auf Asyl gezählt (BAMF 2022). Dies sind gut ein Drittel mehr als im entsprechenden Vorjahreszeitraum.
Die meisten Asylanträge wurden von Geflüchteten aus Syrien, Afghanistan und dem Irak gestellt. Aufgrund der hohen Geflüchtetenzahlen sind in vielen Kommunen die Kapazitätsgrenzen bei der Unterbringung erreicht. Dies betrifft vor allem größere Städte und Ballungsräume. Auch in Mitteldeutschland nimmt bereits ein Teil der Kommunen keine weiteren Schutzsuchenden mehr auf, da die Quote an aufgenommenen Geflüchteten überschritten ist.
Geflüchtete aus der Ukraine – Überblick
Bisher liegen nur wenige gesicherte Informationen über die Personengruppe der ukrainischen Geflüchteten vor. Aus den Daten des Ausländerzentralregisters im August geht hervor, dass etwa drei Viertel der Geflüchteten Frauen sind. Etwa ein Drittel sind Kinder und Jugendliche vor allem im Grundschulalter. Die ukrainische Staatsangehörigkeit besitzen 97 Prozent der Geflüchteten.
Nach einer Befragung des Bundesinnenministeriums im März dieses Jahres verfügte nur ein kleiner Anteil von vier Prozent der Geflüchteten aus der Ukraine über Deutschkenntnisse. Angesichts der hohen Zahl von über eine Million Geflüchteter – nicht nur aus der Ukraine – ist der Ausbau von Sprach- und Integrationskursangeboten aktuell eine sehr drängende Aufgabe. Bis September dieses Jahres hatten etwa 100.000 Geflüchtete aus der Ukraine nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) einen Integrationskurs aufgenommen. 80 Prozent der Teilnehmenden waren Frauen.
Frühkindlicher Bildungsbereich – Erweiterung der Betreuungsangebote
Da sich unter den ukrainischen Geflüchteten viele alleinerziehende Mütter befinden, kann von einem hohen Bedarf an Kinderbetreuungsangeboten ausgegangen werden. Eine verlässliche Kinderbetreuung ist auch deshalb wichtig, da durch sie die Teilnahme an Integrations- und Sprachkursen ermöglicht wird. Im Fokus der Anstrengungen von Kommunen steht insbesondere die Erweiterung von Betreuungskapazitäten im frühkindlichen Bereich und die Bereitstellung von niedrigschwelligen Brückenangeboten.
Eine weitere Aufgabe betrifft die Bedarfsermittlung und Gewinnung von pädagogischen Fachkräften in Kindertagesstätten, darunter auch ukrainischsprachige. Die Anforderungen an pädagogische Fachkräfte steigen dabei. Sie benötigen Weiterbildung und Beratung beim Umgang mit Kindern, die Kriegs- und Fluchterfahrungen gemacht haben und von Familienmitgliedern getrennt leben.
Auch die Sprachförderung im Vorschulalter und die Unterstützung bei der Suche nach einem Kitaplatz sind zentrale Aufgaben. Hier kommt erschwerend hinzu, dass Ende des Jahres die beiden Bundesprogramme „Sprach-Kitas“ und „Kita-Einstieg“ (BMFSFJ) auslaufen. In diesem Zusammenhang könnte eine Vielzahl von zusätzlichen Sprachfachkräften und Koordinierungs- und Netzwerkstellen für den Kita-Einstieg wegfallen, sofern diese nicht in den betreffenden Kommunen verstetigt werden können.
Schulbereich – vielfältige Problemstellungen
Die Zahl der ukrainischen Schülerinnen und Schüler, die aktuell in Deutschland unterrichtet werden, liegt bei etwa 190.000 (KMK Schulstatistik, Stand 40. KW). Die meisten von ihnen befinden sich an Grundschulen. Eine große Herausforderung ergibt sich für Kommunen bei der Bereitstellung von ausreichenden Schulplätzen und der Ermöglichung integrativer Modelle des Unterrichts. Die höhere Auslastung der Schulen kann dabei zu veränderten Klassenstärken und längeren Fahrtwegen zur Schule führen. Hinzu kommen bestehende Problemlagen wie der Lehrkräftemangel und die Bewältigung der Pandemie-Folgen.
Um den Unterricht in Vorbereitungsklassen und Deutsch als Zweitsprache zu gewährleisten, werden weiterhin ukrainische Lehrkräfte gesucht. Für die Kommunikation zwischen den ukrainischen Familien und dem Schulpersonal bedarf es einer Unterstützung durch Sprachmittlung. So hat z. B. das Land Sachsen-Anhalt gemeinsam mit dem Landesnetzwerk Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt e.V. (LAMSA) eine Fachstelle eingerichtet, um Sprachmittlerinnen und Sprachmittler an Schulen einzusetzen.
Auch der Bedarf an Schulsozialarbeit steigt weiter, da viele Kinder aufgrund belastender Fluchterfahrungen und unterbrochener Bildungsbiografien zusätzliche Beratung und Begleitung benötigen.
Integration in Ausbildung und Beruf – ein längerer Prozess
Aufgrund des bestehenden Fachkräftemangels ist das Interesse an der zügigen beruflichen Integration ukrainischer Fachkräfte in den deutschen Arbeitsmarkt groß. Dies ist auch daran erkennbar, dass in einigen Kommunen bereits Jobbörsen für ukrainische Fachkräfte und interessierte Unternehmen durchgeführt werden.
Ein Teil der Betriebe befindet sich jedoch aktuell in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage, so dass eine Neueinstellung oder berufliche Ausbildung nicht infrage kommt. Die Chancen für eine gelingende berufliche Integration werden bei ukrainischen Geflüchteten als günstig eingeschätzt (IAB 2022; BIBB 2022). Zum einen ermöglicht ihr rechtlicher Status die sofortige Arbeitsaufnahme in nicht reglementierten Berufen. Zum anderen verfügt ein Großteil der ukrainischen Geflüchteten über ein höheres Bildungsniveau.
Die Integration in Erwerbstätigkeit gestaltet sich bei Neuzugewanderten jedoch als längerer Prozess. Der Spracherwerb braucht Zeit. Bei reglementierten Berufen wie in der Pflege muss ein Anerkennungsverfahren der ausländischen Qualifikationen durchlaufen werden. Zudem befinden sich unter den Geflüchteten viele Mütter, die als Voraussetzung für den Erwerbseinstieg zunächst eine verlässliche Kinderbetreuung und den Zugang zu schulischen Ganztagsangeboten benötigen.
Bei einer beruflichen Neuorientierung in Deutschland ist zudem die Anschlussfähigkeit an das ukrainische System mitzudenken, damit erworbene Qualifikationen grundsätzlich auch in der Ukraine verwertbar sind. Bei der Entscheidung für eine Ausbildungs- oder Arbeitsaufnahme spielt zudem eine längerfristige Bleibeperspektive in Deutschland und die individuelle Rückkehrabsicht in das Heimatland eine wesentliche Rolle.
Dies ist auch für die Planungssicherheit von Unternehmen von Bedeutung. Im Bereich der beruflichen Integration von Neuzugewanderten ist eine Vielzahl von Programmen, Maßnahmen und Akteuren aktiv. Seit der Fluchtbewegung 2015/2016 wurden Angebote in diesem Bereich stetig ausgebaut. Aus diesem Grund sind weitere intensive Koordinierungs- und Abstimmungsbemühungen auf kommunaler Ebene notwendig.
Auf Erfahrungen aufbauen – Strukturen des Bildungsmanagements nutzen
Kommunen können bei den aktuellen Herausforderungen auf Strukturen und Erfahrungen seit der letzten Fluchtbewegung 2015/2016 aufbauen. Unter dem Dach der Transferinitiative „Kommunales Bildungsmanagement“ des BMBF wurden im Rahmen des Programms „Kommunale Koordinierung der Bildungsangebote für Neuzugewanderte“ von 2016 bis 2020 Strukturen zur Vernetzung, Kooperation und Koordination im Migrations- und Bildungsbereich weiterentwickelt.
Auch ein datenbasiertes kommunales Bildungsmanagement kann bei den aktuellen Herausforderungen Strukturen der Abstimmung und Vernetzung zur Verfügung stellen, z. B. in Form eines Steuerungsgremiums für den Bildungsbereich. Es kann dabei helfen, migrationsbezogene Daten aus unterschiedlichen Planungsbereichen, wie z. B. der Jugendhilfe- und Sozialplanung mit Daten aus dem Bildungsbereich zu verknüpfen. Auf dieser Grundlage können gemeinsam Bedarfe und Maßnahmen abgeleitet werden.
Ein kommunales Bildungsmanagement kann zudem dabei behilflich sein, Bildungsportale weiterzuentwickeln und Angebote für Neuzugewanderte transparenter zu machen. Eine TransMit-Fortbildung mit dem Titel „Integration durch Bildung als kommunales Handlungsfeld“ im September beschäftigte sich mit dem Unterstützungspotential durch ein kommunales Bildungsmanagement, das anhand der Strukturen in der Stadt Erfurt veranschaulicht wurde.