Der Ernst des Lebens beginnt –
Reporte zum Übergang Kita – Grundschule

„Jetzt fängt der Ernst des Lebens an.“ So werden viele Kinder jedes Jahr von ihren Verwandten und Schulleitern im Lebensabschnitt „Schule“ begrüßt. Die ABC-Schützen freuen sich endlich zu den Großen zu gehören, doch nicht immer währt die Freude lang. Die Bildungsreporte aus Braunsbedra und dem Landkreis Börde zeigen, dass erfolgreiche Elternarbeit und Fachkräftekooperation besonderer Aufmerksamkeit bedürfen.

Kita adé! Wie kann der Übergang zur Schule für alle gut gelingen?

„Die Pädagoginnen und Pädagogen sollten von ihren unterschiedlichen „Brillen“ wissen und auch mal die jeweils andere aufsetzen.“

[Juliana Alferi, Bildungsmanagerin Braunsbedra]

Der Übertritt von der Kita zur Schule fühlt sich für viele Kinder und Familien wie ein riesiger Sprung in unbekanntes Terrain an. Damit die Kinder kleine Schritte in Richtung Schule gehen können, gehören Informationsveranstaltungen für Eltern und Schnuppertage für die Kinder zum festen Repertoire am Übergang. Doch wie können Eltern und Kinder noch besser unterstützt werden? Welche weiteren Angebote gibt es? Und was braucht es, damit der Übergang für alle noch besser gelingt?

Mit diesen Fragen im Kopf starteten die Bildungsmanagerinnen und Bildungsmonitorerinnen aus dem Landkreis Börde sowie der Bildungsstadt Braunsbedra im Sommer 2020. Sie befragten Akteure und Eltern am Übergang Kita-Grundschule. Die Berichte liegen nun vor und sprechen eine deutliche Sprache:

  • Die Kooperation muss von allen Institutionen gelebt und intensiviert werden.
  • Verlässliche Strukturen und Abspracheformate für die pädagogischen Fachkräfte sind essenziell.
  • Die Eltern müssen stärker einbezogen werden.
     

Warum so ernst?

Die Einschulung ist der erste Meilenstein der Bildungsbiografie, der alle Heranwachsenden in Deutschland ereilt und dennoch von jedem sehr unterschiedlich bewältigt wird. Es kommen zahlreiche Neuerungen auf die Kinder zu: neue Bezugspersonen, eine neue Umgebung, eine neue Tagesstruktur. Aber auch neue Rollen und Aufgaben müssen verstanden und gemeistert werden.

Hier begegnen Kinder zum ersten Mal dem formalen Lernen, der strukturierten Aneignung von Inhalten zu einem gewissen Ziel hin. Gelernt haben die Kinder natürlich schon immer, informell und non-formal, spielerisch, am eigenen Interesse und der eigenen Entwicklung ausgerichtet. Die Lernlogik Schule ist dagegen sehr viel stärker an der Idee von Gleichförmigkeit orientiert: Es gibt festgelegte Lerninhalte, die in einer festen Zeit, auf einem bestimmten Weg erarbeitet werden müssen. Darauf folgt die Bewertung der Leistung anhand fester Kriterien.

Vor allem aber ist dieses System sehr voraussetzungsvoll, verlangt es doch eine bestimmte Lernhaltung und zahlreiche Aneignungs- und Arbeitstechniken. Es ist wichtig, dass Kitas diese Voraussetzungen kennen und entsprechende Lernprozesse einleiten können. Zudem ist es laut Thüringer Bildungsplan auch „Aufgabe von Schule und Unterricht, passende Bildungsangebote für Kinder zu gestalten, statt darauf zu warten, dass Kinder in die Schule kommen, die zu den vorhandenen Angeboten passen.“

Der Austausch über die Lern- und Entwicklungsstände der Kinder gewinnt eine große Bedeutung für die pädagogische Praxis auf beiden Seiten. Insbesondere Kinder mit besonderen Bildungsbedürfnissen profitieren von dieser Abstimmung. So können materielle und personelle Ressourcen, z. B. Hilfen für Lernmittel oder auch Lernbegleiter, bereits vor Schulstart beantragt werden und stehen von Beginn an zur Verfügung.

Genauso wichtig wie der konkrete Austausch über Entwicklungsstände ist auch der Austausch der Fachkräfte über die eigenen pädagogischen Grundannahmen über das Lehren und Lernen an sich. Zu diesem Schluss kommt auch die Bildungsmanagerin Juliana Alferi aus Braunsbedra: „Die Pädagoginnen und Pädagogen sollten von ihren unterschiedlichen „Brillen“ wissen und auch mal die jeweils andere aufsetzen.“

Die Fachkräfte im Fokus – der Übergang in Braunsbedra

In der Bildungsstadt Braunsbedra steht das Thema seit Langem auf der Agenda: Die Arbeitsgruppe Kita-Grundschule, bestehend aus engagierten Eltern, Pädagoginnen und Pädagogen und Mitarbeitenden der Kommunalverwaltung, erarbeitete bereits Kooperationsverträge zwischen den Einrichtungen, ebenso wie gemeinsam genutzte Entwicklungsbögen und einen Schulkindpass.

Aus der AG heraus entstand die Idee für einen Bildungsreport am Übergang Kita-Grundschule. Dazu führte Alferi im Herbst 2020 Befragungen mit allen Kita-Leitungen, den Bezugserzieherinnen und -erziehern in den Vorschulgruppen, den Grundschulleitungen und Ergebnisse aus den Schuleingangsuntersuchungen zusammen. Der Bericht liegt vor, ist aber noch nicht veröffentlicht.

Die Bildungsmanagerin lässt dennoch eine Erkenntnis durchblicken, die sie aus den Daten gewonnen hat: „Es wurde deutlich, dass die zwei grundverschiedenen Lernsysteme und damit Anforderungsprofile mit dazu beitragen, dass der Wechsel von der Kita zur Grundschule nicht immer reibungslos verläuft. Mittelfristig kann dies nur durch einen konstruktiven fachlichen Austausch der Pädagoginnen und Pädagogen auf Augenhöhe aufgelöst werden“, so Alferi. Und sie fügt noch hinzu: „Langfristig ist es aber eine Aufgabe der Politik, ähnliche Konzepte vom Lernen und Lehren über alle Bildungsinstitutionen hinweg einzuführen.“

Im Landkreis Börde gemeinsame Standards finden

Auch im Landkreis Börde sind sich die Bildungsmanagerin Henrike Nitzel und Bildungsmonitorerin Anja Bethmann dieses ersten wichtigen Schritts für die Kinder bewusst. Um sich einen Überblick über die Situation im Landkreis zu verschaffen, führten die beiden Mitarbeiterinnen im kommunalen Bildungsmanagement im dritten Quartal 2020 Befragungen der Kindertagesstätten und Grundschulen durch. Darin wurden die derzeitigen Maßnahmen und Formate zur Gestaltung des Übergangs erfasst, sowie die Zusammenarbeit mit den abgebenden bzw. aufnehmenden Institutionen. Die Berichte zu den Befragungen sind auf der Webseite des kommunalen Bildungsmanagements des Landkreises Börde einzusehen.

„Ein stärkerer Austausch zwischen den Einrichtungen könnte zu einer optimierten Elternarbeit führen.“

[Anja Bethmann, Bildungsmonitorerin Landkreis Börde]

Anhand der Befragungen wurde deutlich, dass es zahlreiche Maßnahmen zur Übergangsgestaltung gibt. Die Akteurinnen und Akteure unterscheiden sich vor allem darin, ob es bereits formalisierte Übergangskonzepte und Kooperationsvereinbarungen gibt. Auch die Evaluation des Übergangs wird sehr unterschiedlich gehandhabt. Diese erfolgt mal mehr und mal weniger nach festgelegten Kriterien. Hier will das Bildungsmanagement künftig ansetzen, um die Akteure beim gemeinsamen Erarbeiten von Konzepten und Standards zu unterstützen.

Vor allem die Zusammenarbeit von Kitas und Grundschulen wurde von den Fachkräften durchaus unterschiedlich bewertet. Da müsse noch einmal gemeinsam mit den Fachkräften hingeschaut werden, so die Schlussfolgerung der beiden Mitarbeiterinnen des Bildungsmanagements.

Um die „Empfängerperspektive“ einzuholen, wurden Eltern aus der 1. und 2. Klasse zu ihren Erfahrungen und Erwartungen an den Übergang befragt. Hier konnten die Untersucherinnen feststellen, dass die Erfahrungen der Eltern mit dem Übergang mehrheitlich positiver Natur sind. Besonders die Angebote für die Kinder wurden als gut bewertet. Die befragten Eltern selbst fühlten sich an der ein oder anderen Stelle noch nicht ausreichend abgeholt.

In einem gemeinsamen Austausch mit Eltern und Fachkräften sollen die Ergebnisse nun diskutiert und Empfehlungen erarbeitet werden.

Mit den Erhebungen ist die Grundlage für einen Austausch aller Akteure gelegt. Vielleicht steht in zukünftigen Schuleintrittsfeiern in der Börde und in Braunsbedra die Freude am Lernen fürs Leben im Vordergrund der Reden und der „Ernst des Lebens“ kann noch ein wenig warten.

Wir von TransMit wünschen den Kolleginnen gutes Gelingen bei den weiteren Schritten!

 

Kontakt

Nora Herrmann, Kommunalberatung Sachsen-Anhalt

Tel.: 0341-993923 13 E-Mail: nherrmann@dji.de

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