Chemnitz will als Kulturhauptstadt
neu entdeckt werden

Am 28.10.2020 fiel die Entscheidung – Chemnitz ist Europäische Kulturhauptstadt 2025! Die „Stadt der Macherinnen und Macher“ will das Großprojekt nutzen, um das kreative Potenzial einer ganzen Region freizusetzen. Grundlage ist ein beteiligungsorientiertes Konzept, das alle zum Mitmachen einlädt. Auf diese Weise soll nicht nur Kultur erlebbar gemacht, sondern auch die Stadtgesellschaft nachhaltig gestärkt werden.

Kulturhauptstadt!

Feuerwerk an der Chemnitzer Oper am Abend des 28. Oktober 2020

Seit 1985 werden in Europa Kulturhauptstädte gekürt. Städte und Regionen, die den Titel verliehen bekommen, stehen ein Jahr lang im Mittelpunkt eines kreativen, europaweiten Diskurses um kulturelle Vielfalt und Zukunftsthemen.

Am 28. Oktober 2020 wurde die Stadt Chemnitz von der europäischen Jury für den Titel „Kulturhauptstadt Europas 2025“ in Deutschland empfohlen. Auch Hannover, Hildesheim, Magdeburg und Nürnberg hatten sich für die finale Auswahlrunde qualifiziert. Unter dem Motto „C the Unseen“ schnürte Chemnitz ein anspruchsvolles Programm, das mit Partizipation, Digitalität und Regionalbezug punktete.

Das Motto kann man auf zweierlei Weise deuten. Es richtet die Aufmerksamkeit auf das, was noch der Entdeckung harrt: Auf verborgene kulturelle Schätze oder auf Mitmenschen, deren Begabungen und Leistungen zu oft übersehen werden. Anders gelesen verweist „C the Unseen“ auf eine unterschätzte Stadt.

„Die Kulturhauptstadtbewerbung ist ein Musterbeispiel für die Zusammenarbeit von Stadt und Region.“

[Sven Schulze, Oberbürgermeister der Stadt Chemnitz]

Kulturregion Chemnitz 2025

Im Zuge der Bewerbung auf den Kulturhauptstadt-Titel ist in und um Chemnitz eine breite Bewegung entstanden, die auf eine gemeinsame Kulturregion verweist. Die hier lebenden Menschen prägen ähnliche Erfahrungen: biografische Brüche, politische Systemwechsel, wirtschaftliche Umwälzungen. Aber auch die Fähigkeit, an Krisen zu wachsen und immer wieder kluge Lösungen zu entwickeln. Das Projekt Kulturhauptstadt soll all das sichtbar machen und Vergangenes aufarbeiten. Alle – von kreativen Laien bis zu berühmten Kulturschaffenden – sind eingeladen, aktiv in Projekten mitzuwirken.

Ein verbindendes Element der Kulturregion Chemnitz 2025 ist der „Purple Path“, ein europäischer Kunst- und Macher-Wanderpfad, der das gesamte Chemnitzer Umland durchzieht. Hier präsentieren junge und internationale Künstler zeitweilig oder dauerhaft ihre Werke. Immer mehr Kommunen der Region schließen sich dem Pfad und der Kulturregion mit weiteren Aktionen an. Auch die Kirchen sind offizieller Partner des Projekts und geben vielerorts den Ausstellungsstücken Raum.

Aber nicht nur das: Als Chemnitz im August 2018 zum Schauplatz fremdenfeindlicher Demonstrationen und rechtsextremer Ausschreitungen wurde, gingen von hier düstere Bilder um die Welt. Die Kulturhauptstadt Chemnitz möchte rechtem Populismus die Stirn bieten und etwas gegen wachsende Demokratieverdrossenheit tun. Zahlreiche Initiativen aus der Mitte der Gesellschaft sollen dazu beitragen, die schweigende Mehrheit zu mobilisieren, um einer für europäische Werte, Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalt eintretenden Zivilgesellschaft Identität zu verschaffen.

Kein Titel ohne Region: Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der Chemnitzer Kulturregion

Auch die durch die Pandemie beschleunigte Digitalisierung des Alltags prägt die Kulturhauptstadt Chemnitz. Im Programm finden sich viele Ansätze, analoge und digitale Realitäten künftig besser miteinander zu vereinen.

Zusammen mit Chemnitzer Schulen werden unter anderem generationsübergreifende, inklusive und die Medienkompetenz fördernde Projekte umgesetzt. Auf einem hybriden Spielplatz sollen Kinder älteren Menschen zeigen, was in der digitalen Welt alles möglich ist. So zum Beispiel, wie man den „Nischl“, das Marx-Monument, in Minecraft nachbaut. Parallel dazu soll eine reale Kopie aus Legosteinen entstehen.

Digitale Partizipation ist im Kulturhauptstadtprojekt selbstverständlich. Die Website maker-space.eu soll zum virtuellen Knotenpunkt für das kreative Schaffen der Berufs- und Amateurgemeinschaften werden. Durch Mobile Marketing, 360-Grad-Videos, Augmented Reality-Features, Podcasts, Vlogs und Livestreams wird vieles digital zugänglich und erlebbar gemacht. Partizipativ und digital wird es unter anderem auch in drei Ausstellungen der Kunstsammlungen Chemnitz zugehen: Hier können Gäste von 2022 bis 2025 mit künstlicher Intelligenz experimentieren und mit ihrer Interaktion selbst zu Kunstschaffenden werden.

Was steht auf dem Programm?

Eine Idee von der Vielfalt der geplanten Aktivitäten erhält man beim Lesen des „Bid-Book“. Das Bewerbungsbuch beschreibt das Chemnitzer Konzept und ist Leitfaden für dessen Umsetzung. Viele der hier skizzierten Projekte starten schon vor 2025 und sollen lange über das Kulturhauptstadtjahr hinauswirken. An dieser Stelle seien nur einige Aktionen erwähnt:

Garagen zum Ausprobieren
Mit der „Garage der Autodidakten" wird eine Design- und Kunstschule nach Bauhaus-Vorbild entstehen. Dafür soll eine leerstehende Garagensiedlung in einen Campus für künstlerische Bildungsprogramme umgebaut werden. 2024 wird hier die POCHEN Multimedia-Biennale stattfinden – eine der vielen Großveranstaltungen, die mit dem Kulturhauptstadtprojekt verbunden sind. In einer weiteren Aktion öffnen 3.000 Garagen die Tore, um die Öffentlichkeit mit besonderen Fundstücken zu überraschen oder von Gästen kreativ umgenutzt zu werden.

Investitionen in Demokratiebildung
Auch Investitionen in Sport- und Kulturinfrastrukturen gehören dazu, so zum Beispiel die Sanierung der Hartmann-Fabrik. Die ehemalige Produktionshalle soll 2025 zum Austragungsort einer Europäischen Werkstatt für Kultur und Demokratie werden. In Workshops kommen Kreative und Fachleute aus ganz Europa zusammen, um neue Bildungsmethoden und Modelle für mehr gesellschaftliche und kulturelle Teilhabe auf Basis gemeinsamen künstlerischen Schaffens zu entwickeln. Wo einst Dampflokomotiven gebaut wurden, ziehen unter anderem auch ein „NSU-Archiv“, ein wissenschaftliches Zentrum im Bereich Rechtsextremismus und die „Akademie der Autodidakten“ ein.

Radeln für den Frieden
Die enge Verbindung zwischen Kultur und Sport wird 2025 beispielsweise mit der neuen Interpretation der Internationalen Friedensfahrt, dem legendären Radrennen der ehemaligen DDR, gewürdigt. Bereits am 11. und 12. September 2021 können ambitionierte Freizeitsportlerinnen und -sportler zwei Etappen von Chemnitz nach Prag und zurück absolvieren. Auf der Strecke werden 15 Städte und Gemeinden entlang des „Purple Path“ angefahren.

Den Stadtraum zum Leben erwecken
Getrieben von den Ereignissen im August 2018 gründeten engagierte Chemnitzerinnen und Chemnitzer die Initiative „Die Buntmacher*innen“. Im Rahmen der Bewerbung zur Kulturhauptstadt entwickelten sie unter anderem die Idee der bunten Treppe. Als sogenanntes „Nimm-Platz-Projekt“ ist dies eine gute Möglichkeit, diesen Platz in Chemnitz zu neuem Leben zu erwecken.

Eröffnung der bunten Treppe im Sommer 2020 – eine Aktion des Buntmacher*innen e.V.

Im Juli 2021 wurde die bunte Treppe mit einem kleinen Straßenfest eröffnet. Über den Farbanstrich stimmten zuvor 2.849 Bürgerinnen und Bürger ab. Sie entschieden sich für das dynamische LEGO-Design.

Die Kulturhauptstadt zum Blühen bringen
Die Chemnitzerinnen und Chemnitzer waren es auch, die sich in einer Umfrage zur Kulturhauptstadtbewerbung in großen Teilen für grünere Flächen und mehr Engagement im Umweltschutz aussprachen. Daraus ging 2020 die Aktion Blühwiesen hervor. 2021 hat sich die Fläche der Sommer- und Wildblühwiesen gegenüber dem Vorjahr bereits auf gut 20.000 m² verdoppelt. Bei der Aussaat der Blumen helfen unter anderem auch Schülerinnen und Schüler und sorgen so für Blütenpracht und Insektenfutter im Stadtraum.

Rückenwind für die Bildungslandschaft

Das Großprojekt Kulturhauptstadt ist nicht nur Sache des Kultursektors. Investitionen und Aufgaben entfallen ebenso auf die Bereiche Verkehr, Wirtschaft, Wissenschaft, Umwelt und Bildung. Der Bund stellt dafür bis zu 25 Mio. Euro, der Freistaat Sachsen bis zu 20 Mio. Euro und die Stadt Chemnitz mindestens 21,28 Mio. Euro zur Verfügung. Für jede Kulturhauptstadt Europas sind unter anderem auch 1,5 Mio. Euro aus dem EU-Programm „Kreatives Europa“ vorgesehen, die in Form des „Melina Mercouri Preises“ vergeben werden können. Mit einem Gesamtvolumen von 91 Mio. Euro kommt Chemnitz 2025 einem Konjunkturprogramm gleich.

Auch für die Chemnitzer Bildungslandschaft ergeben sich daraus große Chancen: Im Mittelpunkt stehen kulturelle Bildung, Sport und Demokratiebildung. Dabei stets wichtig: Partizipation und Kooperation. Gelingt es, Bürgerinnen und Bürger aktiv in die Planung und Umsetzung einzubeziehen, entstehen rund um das Kulturhauptstadtjahr spannende Kollaborationen zwischen institutionellen und freien Bildungsträgern, Kulturschaffenden und künstlerischen Laien, unabhängig von Herkunft oder Alter. Dies wird Spuren hinterlassen.

Gehen die Pläne auf, resultieren aus Chemnitz 2025 nicht nur eine bessere Infrastruktur und mannigfaltige Angebote für Kultur, Sport und Bildung. Neue Kooperations- und Partizipationsstrukturen werden die Kultur- und Bildungslandschaft erweitern und für künftige Vorhaben wappnen.

Bis dahin!

Mit einer großen Party zwischen Bahnhof und Marx-Denkmal soll das Chemnitzer Kulturhauptstadtjahr am 18. Januar 2025 offiziell eröffnet werden. Auf ereignisreiche Monate freut man sich dann auch im slowenischen Nova Gorica, der zweiten Europäischen Kulturhauptstadt 2025.

„Ich setze mich dafür ein, dass diese Kulturhauptstadt Europas ein nachhaltiges Programm für Chemnitz wird, das ganz und vollkommen im Sinne der Bürgerinnen und Bürger der Stadt ist.“

[Sven Schulze, Oberbürgermeister der Stadt Chemnitz]

Kontakt

Dr. Cornelia Leser, Kommunalberatung Sachsen

Tel.: 0341-99392316 E-Mail: leser@dji.de

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Kulturhauptstadt 2025

„Schaut genau hin“, „C the Unseen“ lautet die Einladung, die die Stadt Chemnitz der internationalen Jury mit ihrem Konzept zur Kulturhauptstadtbewerbung ausgesprochen hat. Auf ihrer Webseite stellt sich die Kulturhauptstadt näher vor.

Bid Book

Die Bewerbungsmappe oder das sogenannte Bid Book ist ein zentraler Bestandteil der Bewerbungsunterlagen zur Kulturhauptstadt Europas. In ihm wird die Stadt Chemnitz porträtiert, das Motto, das geplante Programm und Budget für 2025 vorgestellt.

Empfehlung der Jury

Die Bewerbung der Stadt Chemnitz konnte überzeugen. Am 28. Oktober 2020 gab die europäische Jury ihre Empfehlung für die deutsche Kulturhauptstadt Europas 2025 bekannt. Die Empfehlung mit Begründung ist online einsehbar.