Bildungspartnerin Zivilgesellschaft –
was kann Kommune für sie tun?

Geht es um kommunales Bildungsmanagement, bleiben zivilgesellschaftliche Initiativen noch zu oft außen vor. Woran das liegt und wie Kommunen die Arbeit bildungsaktiver Vereine, Stiftungen & Co. unterstützen können, selbst wenn diese weitgehend autark agieren, erfahren Sie im folgenden Artikel.

Kreative Bildungsräume für die Zivilgesellschaft

Mit dem LeipzigZimmer hat die Stadt Leipzig einen Ort des kreativen Austausches für Bürgerinnen und Bürger bereitgestellt.

Kommunale Bildungslandschaften leben von Vielfalt. Öffentliche Einrichtungen, privatwirtschaftliche Träger und zivilgesellschaftliche Initiativen tragen zu einem Angebotsspektrum bei, das den individuellen Bildungsbedarfen von Jung und Alt gerecht wird. Die vor Ort wirkenden Bildungsakteure zu kennen, zu vernetzen und in Abstimmung zu bringen, ist ein Wunsch vieler Kommunen. Gerade im Hinblick auf zivilgesellschaftliche Initiativen ist dies jedoch gar nicht so einfach.

Warum so schwer zu greifen?

Zivilgesellschaftliche Organisationen agieren selbstbestimmt und flexibel. Sie sind vorwiegend durch Ehrenamt getragen und zumeist als Verein, gemeinnützige GmbH, Stiftung oder Genossenschaft organisiert. Sie finanzieren sich größtenteils aus Spenden, Sponsorengeldern, Mitgliedsbeiträgen oder selbst erwirtschafteten Markterträgen und nur zu einem geringeren Teil auch über öffentliche Gelder.

Als Bildungsträger finden wir sie vor allem im non-formalen und informellen Bereich, etwa spezialisiert auf bestimmte Themenfelder wie kulturelle Bildung, Sport, Bildung für nachhaltige Entwicklung oder auf Leistungen die zum Beispiel der Persönlichkeitsentwicklung oder der Familienbildung dienen. Aber auch im formalen Feld entwickeln sie sich zunehmend zu einer Säule der Bildungslandschaft, etwa als Schulen in freier Trägerschaft.

Die Souveränität und Vielfalt, die zivilgesellschaftliche Organisationen als Akteursgruppe kennzeichnet, macht ihre systematische Erfassung und Einbindung in kommunale Bildungsarbeit schwierig. Dazu kommt, dass sich nur ein geringer Teil der vor Ort aktiven zivilgesellschaftlichen Organisationen selbst als Teil der kommunalen Bildungslandschaft begreift.

„Jüngere Forschungen zeigen, dass jede zweite zivilgesellschaftliche Organisation einen Bildungsbezug hat, aber nur jede zehnte, die dazu befragt wurde, sah sich in eine kommunale Bildungslandschaft eingebunden.“

[Jana Priemer, Zivilgesellschaftsforscherin]

Wie kann Unterstützung aussehen?

Kommunen können bildungsaktive zivilgesellschaftliche Initiativen unterstützen, und das unabhängig davon, ob diese bereits mit dem kommunalen Bildungsmanagement in Verbindung stehen oder nicht. Es folgen sechs Punkte, an denen Kommunen ansetzen können:

Punkt 1: Strategie

Zunächst ist es wichtig, zivilgesellschaftliche Organisationen als eigene Akteursgruppe wahrzunehmen, der – ähnlich staatlichen, kommunalen oder privatwirtschaftlichen Akteuren – ein permanenter Platz im Bildungsmanagement auf kommunaler Ebene gebührt. So sind Vertreterinnen und Vertreter zivilgesellschaftlicher Initiativen einzuladen, wenn in der Kommune Ziele, Planungsabläufe oder Qualitätsstandards für Bildung entwickelt werden.

Der Burgenlandkreis geht hier mit gutem Beispiel voran: Hier gehören freie Träger aus dem Bereich frühkindliche Bildung sowie Vertretende der Schüler- und Elternschaft zum Regionalen Arbeitskreis Bildung, dem strategischen Steuerungsgremium für Bildung im Landkreis.

Punkt 2: Vernetzung

In der kommunalen Bildungslandschaft werden formelle und informelle Netzwerke gesponnen, die verschiedene Gruppen – von Bildungseinrichtungen über Vereine, Hochschulen, Unternehmen, Verwaltungseinheiten bis hin zu lokalen Medien – umfassen können. Zentrale Knotenpunkte bilden oft kommunale Bildungsbüros, aber auch Schulen und größere Vereine. Solche Netzwerke eröffnen Kontakte und Zugänge in immer neue Bereiche. Die Benennung einer Ansprechpartnerin oder eines Ansprechpartners in der Verwaltung, an die sich an Vernetzung und Austausch Interessierte wenden können, erleichtert Externen die Kontaktaufnahme.

Gelingt es, auch kleine Initiativen mitzunehmen, sind die aus dem Netzwerk hervorgehenden Innovationen und deren Verbreitung besonders groß. Schließlich bringen die unterschiedlichen Akteure sowohl Ressourcen, Erfahrungen und Kompetenzen als auch Verbindungen in eigene Netzwerke ein. Für mehr Vernetzung und Austausch hat beispielsweise der Erzgebirgskreis gesorgt, indem er eine Fachstelle Ehrenamt und eine digitale Plattform für Vereine und andere gemeinnützige Initiativen einrichtete.

Punkt 3: Übersicht über Angebote und Bedarfe

Kommunen können Träger und Angebote systematisch erfassen und Übersichten zu bestimmten Themen und Leistungen zusammenstellen, etwa für Projekte in Kindergärten, fächerverbindenden Unterricht und Ganztagsangebote an Schulen oder Kurse für Seniorinnen und Senioren im Sozialraum.

So systematisierte die Stadt Leipzig  Umweltbildungsangebote freier Träger, die zu bestimmten Lehrplaninhalten passen, in einer Broschüre für allgemeinbildende Schulen.

Im Rahmen der kommunalen Bildungsberichterstattung können Bildungsbedarfe identifiziert und kleinräumig abgebildet werden. Dies gibt auch zivilgesellschaftlichen Initiativen Orientierung, in welchen Räumen welche Bildungsangebote besonders gebraucht werden. Dieses Wissen können sie unter anderem zur gezielten Bewerbung um Fördermittel nutzen.

Punkt 4: Würdigung

Kommunen können zivilgesellschaftliches Engagement auf verschiedene Weise öffentlich sichtbar machen, würdigen und anregen, etwa durch Artikel im Amtsblatt, durch Berücksichtigung in der Bildungsberichterstattung, durch themenbezogene Wettbewerbe oder das Ausloben von Preisen für Vereine und ehrenamtlich Helfende. So zum Beispiel vergibt die Stadt Eisenach jedes Jahr Ehrenamtspreise. Die öffentliche Wahrnehmung auf herausragendes Engagement zu richten, motiviert Initiativen, Freiwillige und deren Zielgruppen zum Mit- und Weitermachen.

Punkt 5: Raum für gesellschaftlichen Diskurs und Innovation

Themen, die auf die kommunale Agenda gehören, werden schnell erkannt, wenn die Bürgerschaft mitreden kann. Auch finden sich Ideen für kreative Lösungen, wenn zivilgesellschaftliche Partner einbezogen werden. Anlässe und Gelegenheiten für Begegnung, Austausch und Innovationen zu schaffen – etwa in Form von Bildungskonferenzen, Bürgerfesten oder auch von offenen Treffs, multifunktionalen Räumen, Familienzentren, Mehrgenerationenhäusern oder Bildungscampus – erweist sich als gutes Mittel, um verschiedene Gruppen niedrigschwellig in Kontakt zu bringen.

Ein schönes Beispiel ist das LeipzigZimmer, mit dem die Stadt in zentraler Lage einen Ort des kreativen Austausches für Bürgerinnen und Bürger bereitstellt und damit nicht zuletzt den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärkt.

Punkt 6: Förderung

Kommunen können lokale Initiativen auch finanziell unterstützen, durch Förderung kleiner und großer Projekte. Für die Kultur- und Sportförderung ist dies in vielen Kommunen bereits etabliert. In weiteren Themenfeldern, etwa Demokratiebildung, MINT-Bildung oder interkulturelle Bildung, können kommunale Gebietskörperschaften Landes-, Bundes- oder auch Stiftungsmittel akquirieren und an lokale Bildungsträger weiterreichen. Aufwandsentschädigungen oder die Vergabe von Ehrenamtsbudgets helfen, Unkosten abzufedern.

Darüber hinaus zahlt sich auch das Fördern bestimmter Strukturen, die ihrerseits Engagement bündeln und vermitteln, für alle Seiten aus: Dazu gehören Freiwilligenagenturen – etwa die Freiwilligen-Agentur Halle-Saalekreis e.V. – oder Bürgerstiftungen.

Ein besonderes Projekt der BürgerStiftung Erfurt ist das Erfurter SpendenParlament: Mit einer Spende ab fünfzig Euro wird man Parlamentsmitglied und darf über zu fördernde Projekte in der Thüringer Landeshauptstadt abstimmen.

„Zivilgesellschaftliche Organisationen leisten vor Ort vielfältige Bildungsarbeit. Entsprechend wichtig ist, dass sie als Bildungspartner von kommunaler Seite gesehen, unterstützt und eingebunden werden.“

[Sabine Süß, Leiterin der Koordinierungsstelle des Netzwerkes Stiftungen und Bildung]

Nur unterstützen oder auch kooperieren?

Kooperationen lassen sich bekanntlich nicht erzwingen und sind nur dort von Dauer, wo alle Seiten einen Mehrwert erkennen. Dass Kommunen und organisierte Zivilgesellschaft mal eng und verbindlich zusammenarbeiten, in anderen Fällen voneinander entkoppelt agieren, zeigte jüngst das BMBF-Forschungsprojekt ZivilKoop, welches Kooperationsbeziehungen zivilgesellschaftlicher Akteure im kommunalen Raum untersuchte. Zentrale Ergebnisse wurden im Rahmen der Abschlusstagung im Oktober 2022 präsentiert und sollen bald auch zum Nachlesen veröffentlicht werden.

Bereits strukturell verankert sind Kooperationen vor allem im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe. Hier genießen freie Träger eine Vorrangstellung bei der Umsetzung von Projekten und sind über den Jugendhilfeausschuss in Verwaltungsentscheidungen eingebunden. So hat die Kommune einen Überblick über die betreffenden Träger, Angebote und Wirkungen.

Oft arbeiten Kommunalverwaltungen auch in zeitlich befristeten Projekten oder für bestimmte Modellvorhaben mit zivilgesellschaftlichen Organisationen zusammen. Zum Beispiel unterstützt die Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft seit 2016 zukunftsweisende kommunale Schulbauprojekte der Stadt Weimar

Meist aber kooperieren zivilgesellschaftliche Organisationen mit Kitas, Schulen, anderen Einrichtungen oder Trägern, ohne dass es dazu eine Rückkopplung mit der Kommune gibt. Dies an sich ist noch kein Problem. Für das kommunale Bildungsmanagement aber laufen solche Initiativen unter dem Radar. Ohne entsprechende Informationen kann es nicht auf Qualität und Quantität der Angebote vor Ort rückschließen, bei Bedarf nachsteuern und unterstützen.

Auf jeden Fall: Brücken bauen!

Als neutrale politische und administrative Einheit, die Berührungspunkte zu allen relevanten Anspruchsgruppen hat, ist die Kommune dafür prädestiniert, ungleiche oder auch konkurrierende Akteure an einen Tisch zu holen und langfristige, mitunter auch konfliktreiche Aushandlungsprozesse zu moderieren. Das dafür notwendige Vertrauen aufzubauen und Perspektivwechsel anzustoßen, gelingt Personen am besten, die die Handlungslogiken der beteiligten Systeme kennen.

Da jegliche Annäherung ihre Zeit braucht, müssen alle Seiten extra Ressourcen einplanen. Gerade kleine Initiativen und Ehrenamtliche entlastet es, wenn sich die kommunale Verwaltung dann um die Prozesskoordination kümmert. Fehlt es auch der Verwaltung an Expertise und Ressourcen für besondere Moderations- und Koordinationsleistungen, können Fördermittel Dritter – wie aus dem ESF Plus-Programm Bildungskommunen (BMBF)  oder aus dem Verbundprojekt Hauptamt stärkt Ehrenamt (BMEL und Deutscher Landkreistag) – weiterhelfen.

Manche Kommunen greifen für besondere Leistungen auch auf kommunale Tochtergesellschaften oder Stiftungen zurück. So zum Beispiel wird das Bildungsmanagement im Landkreis Görlitz in vielen operativen Aufgaben durch eine Entwicklungsgesellschaft unterstützt. Wichtig ist, dass solche Mittler mit der Kommunalverwaltung abgestimmt, an der kommunalen Strategie orientiert und auf bereits vorhandenen Ansätzen aufbauend agieren.

Kontakt

Dr. Cornelia Leser, Kommunalberatung Sachsen

Tel.: 0341-99392316 E-Mail: leser@dji.de

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