Bildung managen in Krisenzeiten

Wir wollten wissen, wie unsere Transfer­kommunen im Bereich Bildung auf die Corona-Krise reagieren. Drei Ansätze stellen wir vor.

Der Esstisch als Schulbank

Corona schafft neue Lernsituationen, nicht nur für Eltern

Homeschooling – Was sagen die Eltern?

Seit einigen Wochen findet der Unterricht für Schülerinnen und Schüler in den eigenen vier Wänden statt. Eine neue Situation, nicht nur für Eltern. Doch wie gestalten sich die Lernprozesse zu Hause? Um diese Frage zu beantworten, haben das Projektteam „Bildung integriert“ der Stadt Jena, Stefanie Teichmann und Jan Wiescholek, zusammen mit dem Verein witelo e.V. und der JenaWirtschaft einen Online-Fragebogen zum Homeschooling entwickelt. Die drei Akteure möchten damit einen Überblick erhalten, wie sich in der aktuellen Situation die Lernprozesse an den Jenaer Schulen über digitale Medien gestalten. Die Ergebnisse sollen helfen, die Möglichkeiten und Grenzen digital gestützter Lernprozesse besser zu verstehen, um so die zukünftige Entwicklung nachhaltig mit gestalten zu können.

Auf den ersten Blick spielen beim digital gestützten Lernen vor allem die technischen Voraussetzungen eine Rolle. Mindestens genauso relevant sei aber, wie die Lehrerinnen und Lehrer diese Lernprozesse der Kinder pädagogisch begleiten. Die Umfrage gehe daher in beide Richtungen, sagt die Bildungsmanagerin Stefanie Teichmann. So wird erhoben, ob bestimmte Technik wie Laptop, Drucker oder Scanner für die Schulaufgaben zu Hause gebraucht werden und vorhanden sind. Wichtig ist in dem Zusammenhang, inwieweit die Schule Alternativen oder Hilfen anbietet, wenn diese nicht in den Familien bereitgestellt werden können.

Der zweite Teil des Fragebogens bezieht sich darauf, ob und welche Möglichkeiten die Lehrerinnen und Lehrer nutzen, um mit ihren Schülerinnen und Schülern und deren Eltern zu kommunizieren. Gefragt wird unter anderem, ob die Lehrerinnen und Lehrer regelmäßig Kontakt zu den Kindern aufnehmen, um sie beim Lernen zu Hause zu unterstützen. Denn der Lernprozess kann nur erfolgreich sein, wenn es den Lehrenden gelingt, auch über die Entfernung „nah“ an den Kindern dran zu bleiben. Denn nur durch aktives Nachfragen erfahren sie von allen Schülerinnen und Schülern, wie diese mit den Schulaufgaben und der Situation generell zurechtkommen.

Dass die Initiatoren der Online-Befragung den Nerv der Zeit treffen, zeigt die große Resonanz: Insgesamt haben fast 500 Eltern an der Befragung teilgenommen. Ein erster Blick in die Daten zeigt, dass von allen allgemeinbildenden Schulen der Stadt Jena Eltern geantwortet haben. Auch einige Schulen haben bereits großes Interesse an den Ergebnissen gezeigt. Mit ihnen haben die bisherigen Kooperationspartner einen weiteren wichtigen Akteur an ihrer Seite, um digital gestützte Bildungsangebote so weiterzuentwickeln, dass sie für individuelle Lernprozesse noch besser genutzt werden können.

Bildungskoordination als Mittler und Übersetzer

Auch für die Bildungskoordinatorinnen für Neuzugewanderte im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge hat sich das Aufgabenspektrum durch die aktuelle Situation verändert. Zu Beginn der Krise gab es zwar viele Informationen zum Virus, diese allerdings vor allem in deutscher, nicht immer leicht verständlicher Sprache. Damit jedoch jeder schnell die Hintergründe der Pandemie verstehen kann, übersetzten die Bildungskoordinatorinnen die komplexen Zusammenhänge in einfache Sprache.

Die Texte stellten sie den Telefonteams des kommunalen Gesundheitsamts bereit. Damit konnten die telefonischen Berater auch Nicht-Muttersprachlerinnen und -sprachler schnell und einfach erklären, was nun im Alltag wichtig ist und was zum Beispiel Testergebnisse oder Quarantänevorschriften bedeuten.

Inzwischen wurden die Texte vom Projekt „Mit Migranten für Migranten (MiMi)“ in  verschiedene Sprachen übersetzt und als Audio-Dateien sachsenweit bereitgestellt. Hier zeigt sich erneut die Mittlerrolle, die die Bildungskoordinatoren einnehmen: Sie kennen viele Akteure, wissen um deren spezielle Perspektive und können Informationen passgenau und adressatengerecht aufarbeiten und weitergeben.

Mit dem Andauern der Pandemie hat sich der Fokus der Bildungskoordinatorinnen etwas verschoben. Das Problem der drohenden Ansteckung durch den Virus ist mittlerweile jedem bekannt und die Informationen müssen nur noch aktualisiert werden. Jetzt geht es vor allem darum, dass die Zielgruppe der Zugewanderten trotz der Einschränkungen den Anschluss an Bildung nicht verliert.

Hilfreich ist hierfür, die Vielzahl an guten digitalen Angeboten zu filtern und gezielt weiterzugeben. Für Multiplikatoren wie Ehrenamtliche ist es besonders wichtig, eine gut vorsortierte Übersicht über die Angebote zu bekommen, da diese in der aktuellen Zeit häufig weniger Zeit haben, gerade wenn sie selbst berufstätig sind. In ihren regelmäßigen Rundschreiben an Multiplikatoren sammeln die Bildungskoordinatorinnen dafür die verschiedenen Angebote und strukturieren sie vor.

Wichtig ist es nun, zu erkennen, welche Probleme die Krise zukünftig noch mit sich bringt und welche Bedarfe daraus entstehen. Die durch die aktuelle Verzögerung von Sprachkursen und anderen Bildungsabschlüssen entstehenden Folgen abzumildern, ist nur eines der Themen auf der To-Do-Liste, an dem die Koordinatorinnen derzeit arbeiten.

Regional-digital in Anhalt-Bitterfeld

„Eigentlich stand 2020 bei uns im Zeichen der non-formalen Bildung. Eigentlich!“, betont Bildungsmonitorer Ingo Wiekert aus dem Landkreis Anhalt-Bitterfeld. Gemeinsam mit seiner Kollegin, der Bildungsmanagerin Katja Rehhahn, hatte er damit begonnen, regelmäßige Austauschrunden mit und für die Akteure des non-formalen Sektors zu organisieren. Ihre Angebote wollten die beiden sammeln und für die Bevölkerung transparent aufbereiten.

Dieser Plan liegt nun aufgrund der eingeschränkten Kommunikationsmöglichkeiten auf Eis. Doch die Hände in den Schoß legen und die Krise vorbeiziehen lassen, das war für die beiden keine Option. „Wir haben uns zusammengesetzt und überlegt, wo wir mit unserem Portfolio in der aktuellen Situation unterstützen können“, sagt Rehhahn.

Eine zentrale Herausforderung war schnell ausgemacht: der Unterricht und die Kinderbetreuung zu Hause. Von einem Tag auf den anderen mussten Eltern plötzlich Lehrerinnen und Lehrer oder Erzieherinnen und Erzieher sein – anfangs ohne strukturierte Angebote und Motivation für die Kinder durch Fachpersonal und Gleichaltrige. Begeistert von den zahlreichen Online-Angeboten zum Lernen und kreativen Arbeiten kamen die beiden auf die Idee, ähnliche Hilfestellungen in der Region zu suchen und bekannter zu machen.

Entstanden ist die Plattform „Lernen-Online“, die ganz im Sinne des kommunalen Bildungsmanagements kostenfreie digitale Einzelangebote aus Anhalt-Bitterfeld zusammenführt und zentral bereitstellt. „Wir wollen zeigen, was hier vor Ort passiert und welche kreativen Dinge die Menschen in der Krise auf den Weg bringen.“, sagt Wiekert und verweist auf die Unterstützung des Projekts durch die Akteure im Landkreis.

Ob Mal- und Beschäftigungsangebote aus Aken, brütende Mäusebussarde als Videotagebuch live aus dem „Haus am See" am Muldestausee oder Fitnesskurse aus einem Bitterfelder Studio im Livestream – entstanden ist eine stetig wachsende thematische Sammlung regionaler Digital-Angebote für Kinder und Jugendliche, aber auch für ihre Eltern, Freunde oder Großeltern. Jetzt bleibe zu hoffen, dass die Dynamik, die innovative Lernangebote gerade erfahren, das Virus überdauern, so Rehhahn.

Wir als Transferagentur schließen uns diesen Wünschen gerne an und bleiben neugierig darauf, was in den nächsten Wochen und Monaten durch und trotz der aktuell schwierigen Situation in den mitteldeutschen Transferkommunen auf den Weg gebracht wird.

Kontakt

Dr. Anne Walde, Kommunalberatung Sachsen

Tel.: 0341-993023 17 E-Mail: walde@dji.de