Berufsbezogene Weiterbildung –
ein Baustein zur Fachkräftesicherung

Berufsbezogene Weiterbildung ist eine wichtige Voraussetzung, um auch zukünftig fit für den Arbeitsmarkt zu sein. Das gilt für Erwerbstätige und Unternehmen gleichermaßen. Wir sprachen mit Dr. Stefan Haunstein, Autor der Studie „Berufsbezogene Weiterbildung im Strukturwandel“, über aktuelle Herausforderungen, Fachkräftesicherung und Gestaltungsspielräume für die Kommunen in Mitteldeutschland.

Fit für den Arbeitsmarkt

Um sich wandelnden Bedürfnissen des Marktes anpassen zu können, ist es auch für Unternehmen wichtig, ihre Beschäftigten kontinuierlich weiterzubilden.

Sie haben als wissenschaftlicher Referent des Netzwerkbüros Bildung im Strukturwandel in Mitteldeutschland – BisMit eine Studie zum Thema „Berufsbezogene Weiterbildung im Strukturwandel“ durchgeführt. Könnten Sie vielleicht kurz für uns zusammenfassen: Was ist berufsbezogene Weiterbildung und warum wird sie immer wichtiger für die Fachkräftesicherung?

Unter berufsbezogener Weiterbildung haben wir in unserer Studie ein breites Spektrum an Maßnahmen gefasst, die darauf ausgerichtet sind, Erwerbspersonen fit für den Arbeitsmarkt von morgen zu machen. Dabei geht es auch darum, bereits heute vorauszusehen, welche Qualifikationen und Kompetenzen in Zukunft gefragt sein werden. Keine leichte Aufgabe, da sich der Arbeitsmarkt rasch wandelt und durch vielschichtige Trends wie Dekarbonisierung und Digitalisierung beeinflusst wird.

Vor diesem Hintergrund lässt sich bei Weiterbildungsangeboten ein gewisses Umdenken erkennen – und zwar in zweierlei Hinsicht. Zum einen zeichnet sich eine Flexibilisierung der Angebote ab: Um schnell auf Veränderungen des Arbeitsmarktes eingehen zu können, gewinnen modular angelegte und kurze Weiterbildungsformate gegenüber umfassenden, standardisierten Formaten wie Umschulungen an Bedeutung. Zum anderen geht es vermehrt um die Vermittlung von Schlüsselkompetenzen. Hierzu gehören Kompetenzen zur Lösung komplexer Probleme, die Fähigkeit, gut zu kommunizieren und mit anderen zusammenzuarbeiten sowie Know-how beim Einsatz digitaler Technologien.

Es gibt gute Gründe, warum sich Kommunen mit Weiterbildung beschäftigen sollten – allen voran der demografische Wandel. In vielen, insbesondere ländlichen Kommunen rücken zu wenige junge Menschen auf den Arbeitsmarkt nach. Der Anteil älterer Beschäftigter steigt. Um die sich wandelnden Bedürfnisse der regionalen Wirtschaft bedienen zu können, ist es wichtig, auch die älteren Beschäftigten kontinuierlich weiterzubilden. Somit hängen Weiterbildung, Fachkräftesicherung und regionale Wirtschaftsentwicklung unmittelbar zusammen.

Wie sieht denn die Weiterbildungslandschaft im Mitteldeutschen Revier aus? Was sind die zentralen Entwicklungen und Herausforderungen?

Zunächst möchte ich hier unterscheiden, und zwar zwischen dem institutionellen Kontext, den Nachfragenden und den Anbietern von Weiterbildung. Aufseiten der zentralen Institutionen des Arbeitsmarktes – wie den Kammern und den lokalen Agenturen für Arbeit – besteht ein ausgeprägtes Bewusstsein, dass Weiterbildung ein zunehmend wichtiger Baustein bei der Fachkräftesicherung sein wird. So startete etwa die Bundesagentur für Arbeit vor einigen Jahren die Initiative Berufsberatung im Erwerbsleben. Sie zielt darauf ab, Beschäftigten und Unternehmen Orientierung im komplexen Feld der Weiterbildung zu geben, um so die Nachfrage und Beteiligung zu erhöhen.

Demgegenüber steht, dass die Aufmerksamkeit für das Thema bei den Adressaten – also den Unternehmen und Erwerbspersonen – noch ausbaufähig ist. Ein Grund hierfür liegt in der Wirtschaftsstruktur Mitteldeutschlands, die durch klein- und mittelständische Unternehmen geprägt ist. Viele Betriebe haben kaum Kapazitäten, um Personalentwicklung strategisch und mit Weitblick anzugehen. Dadurch, dass viele Unternehmen bereits heute unter Arbeitskräftemangel leiden, können sie ihre Angestellten nicht ohne weiteres für längerfristige Weiterbildungsmaßnahmen freistellen. Verkürzt gesagt: Der Fachkräftemangel von heute birgt die Gefahr, dass zu wenig in die Fachkräfte von morgen investiert wird. Hier ist noch viel Aufklärungsarbeit und Unterstützung nötig.

Zu einer Weiterbildungslandschaft gehören natürlich auch, drittens, die Weiterbildungsträger. Hier konnte die Studie einige Herausforderungen aufdecken. Deutlich wurde, dass der Fachkräftemangel auch vor den Weiterbildungsträgern nicht Halt macht. Sie haben Probleme, ihre offenen Lehrkraft-Stellen zu besetzen. Zudem nehmen viele Träger einen wachsenden Konkurrenzdruck durch reine Online-Anbieter wahr und beklagen eine unzureichende Förderkulisse für Weiterbildungsmaßnahmen vor Ort. Zusätzlich bestehen Unsicherheiten hinsichtlich zukünftiger technologischer Entwicklungen, was Investitionsentscheidungen erschwert. All diese Punkte machen insbesondere kleinen, regional verwurzelten Bildungsträgern zu schaffen.

Welche Rolle spielen die Kommunen bisher in diesem bunten Akteursfeld? Welche Funktion könnten Kommunen sinnvollerweise übernehmen?

Dazu muss man zunächst wissen, dass der Weiterbildungsmarkt weitgehend privatwirtschaftlich organisiert ist. Das Koordinationsvermögen der öffentlichen Hand ist – gerade bei der Frage, was wo angeboten wird – begrenzt. Daher überrascht es auch nicht, dass berufsbezogene Weiterbildung bisher ein eher nachgelagertes Handlungsfeld von Kommunen ist. Zwar verfügen die Kommunen mit den Volkshochschulen über eine wichtige Einrichtung der allgemeinen Erwachsenenbildung. Allerdings können diese in der Regel nur ein begrenztes Angebot im Bereich der berufsbezogenen Weiterbildung bereitstellen.

Gleichwohl finden immer mehr Kommunen das Thema wichtig und engagieren sich für die lokale Weiterbildungslandschaft. In einigen Kommunen wurden Fachkräfteallianzen gegründet. Hier verständigen sich die wichtigsten Akteure des Feldes darüber, wie sie durch abgestimmtes Handeln Fachkräfte gewinnen, halten und weiterentwickeln können. Nicht selten entstehen dabei auch Projektideen im Bereich der Weiterbildung. In diesem Zusammenhang sehe ich auch die wichtigste Funktion der Kommunen: relevanten Akteuren der Weiterbildung ein Forum zum regelmäßigen Austausch bereitzustellen und so die Grundlagen für Kooperationen zwischen öffentlichen Institutionen, Wirtschaftsakteuren und Bildungsträgern zu schaffen.

Viele Kommunen und Regionen in Mitteldeutschland sind bereits mit innovativen Ideen und Konzepten auf dem Weg, um berufsbezogene Weiterbildung besser und zugänglicher zu machen. Welche Ansätze haben Sie dabei besonders beeindruckt?

Einen vielversprechenden Ansatz, größere Aufmerksamkeit für Weiterbildung zu erzeugen, verfolgt die Weiterbildungsagentur Sachsen-Anhalt. Diese hat in den vergangenen zwei Jahren an verschiedenen Standorten des Landes ihre Arbeit aufgenommen. Erwerbspersonen und Unternehmen, die sich für Weiterbildung interessieren, erhalten hier Beratung aus einer Hand. Dabei geht es zum einen um inhaltliche Fragen, wie etwa: Welche Weiterbildung passt zu meinen Zukunftsperspektiven? Welche Angebote stehen in meiner Region und darüber hinaus zur Verfügung? Zum anderen geht es aber auch um Fragen öffentlicher Förderung. Vielen Beschäftigten und Unternehmen sind nämlich die vielfältigen Fördermöglichkeiten bisher kaum bekannt. Hier setzt die Weiterbildungsagentur an, indem sie Orientierung und Tipps bei der Antragstellung gibt.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

 

Kontakt

Nora Herrmann, Kommunalberatung Sachsen-Anhalt

Tel.: 0341-99392313 E-Mail: nherrmann@dji.de

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