Rückblick: Integration Geflüchteter durch Bildung

Bei der Integration Geflüchteter kommt der kommunalen Bildungsarbeit eine entscheidende Rolle zu. Wir widmeten dem Thema eine eigene Veranstaltungsreihe.

Bis Ende 2015 kamen rund 144.000 Geflüchtete nach Mitteldeutschland. Diese Menschen gilt es langfristig in Gesellschaft und Arbeitsmarkt zu integrieren. Der kommunalen Bildungsarbeit kommt dabei eine entscheidende Rolle zu. Wir widmeten dem Thema eine eigene Veranstaltungsreihe. 

Angesichts der von Bürgerkriegen, Terrorismus und Armut ausgelösten Fluchtbewegungen standen mitteldeutsche Kommunen in den zurückliegenden Monaten vor enormen Herausforderungen. Zeit zum Planen blieb ihnen kaum – die strategischen Überlegungen von Politik und Verwaltungen wurden von der Wirklichkeit überholt. 

Um Versorgung und Unterbringung der Geflüchteten sicherzustellen, riefen viele  Kommunalverwaltungen bereits Ende 2014 Austauschrunden, Koordinierungs- und Stabstellen ins Leben. Unter Handlungsdruck entstanden Kooperations- und Steuerungsstrukturen, die sonst unter Umständen an Zuständigkeitsgrenzen und der Arbeitsbelastung im Tagesgeschäft gescheitert wären. Die neue Situation zwang zum sofortigen Handeln und Umdenken; neue Strategien waren gefragt, neue Ansätze mussten erprobt, neue Netzwerke geknüpft werden. 

Kommunen lernen voneinander 

Seit ihrem Start 2014 unterstützt die Transferagentur Mitteldeutschland die Integrationsarbeit der Städte und Landkreise in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Kommunales Bildungsmanagement wird dabei als ein Ansatz verstanden, um Geflüchtete dauerhaft in Gesellschaft und Arbeitsmarkt zu integrieren. Vor diesem Hintergrund rief die Agentur Ende 2015 die dreiteilige Themenreihe "Integration Geflüchteter durch Bildung – Ideen und Ansätze für Kommunen" ins Leben. 

Ziel war es, erste Ansätze zu diskutieren und von den Erfahrungen der Anderen zu lernen. Die Vertreterinnen und Vertreter der Kommunen nahmen diese Gelegenheit gerne wahr, bot sie ihnen doch die Möglichkeit, einen Schritt zurückzutreten, durchzuatmen und das bisher Erreichte in der Rückschau zu analysieren: Welche Steuerungsstrukturen haben sich in der Krise bewährt? Welche neu entstandenen Netzwerke können die Integration dauerhaft unterstützen? Welche Strategien sind erfolgversprechend, um auf die Bedarfe der Geflüchteten angemessen reagieren zu können? Wurde datenbasiert oder "aus dem Bauch" heraus gehandelt? Das alles waren Fragen, für die die Verantwortlichen mit Blick auf das Jahr 2016 eine Antwort suchten. 

Integration in Ausbildung und Beruf 

Den Auftakt der Themenreihe bildete das Thema "Geflüchtete und Arbeitsmarkt – Wege in Ausbildung und Beruf". In ihrem Vortrag machte sich Diane Nebe, Agentur für Arbeit, Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen, für eine frühzeitige Kompetenzerfassung stark. Für eine zeitnahe Vermittlung sei es notwendig, Fähigkeiten und Talente der Zugewanderten bereits im Erstkontakt zu erfassen. Nur so könnte die Arbeitsagentur passende Maßnahmen schnell und unkompliziert auf den Weg bringen, sagte Nebe. Hierfür brauche es Netzwerke, in denen die vorberuflichen und berufsbezogenen Bildungsangebote der Kommunen und freien Bildungsträger aufeinander abgestimmt und transparent bereitgestellt werden können. Aufgabe der Kommunen sei es, Asylbewerberinnen und -bewerber bei der Kontaktaufnahme mit der Arbeitsagentur und dem Jobcenter zu unterstützen. Diese Schnittstelle gilt es zu verbessern und den Austausch mit der Kommunalverwaltung zu fördern. "Was wir brauchen, ist ein Modell wie die Jugendberufsagenturen für Geflüchtete", sagte Nebe. 

Einen vielversprechenden Ansatz sahen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den "Regionalen Arbeitskreisen" (RAK) Sachsen-Anhalts. Die Gremien ermöglichen die Abstimmung zwischen Arbeitsagenturen, Jobcentern und der Kommunalverwaltung in den Themenfeldern: Formale Bildung, Anerkennung von Schul- und Berufsabschlüssen, berufliche Weiterbildung und die Vermittlung in den Arbeitsmarkt. Initiativen wie diese gäbe es viele in Mitteldeutschland. Sie zielgerichtet zusammenzubringen und für die Integration Zugewanderter zu nutzen, sei die zentrale Herausforderung, vor der die Kommunen derzeit stehen. 

Miteinander reden und verstehen 

In der Bildungswerkstatt "Miteinander reden und verstehen" stellte Torsten Hass, Leiter des Amtes für Bildung in Erfurt, das Integrationskonzept der Stadt vor. Er berichtete, wie die Thüringer Landeshauptstadt die in „Lernen vor Ort“ entwickelten Bildungsmanagement-Strukturen für die Integrationsarbeit nutzbar macht. Ergebnis dieser Erweiterung ist ein "Konzept zu vorintegrativen Maßnahmen der gesellschaftlichen Eingliederung von Flüchtlingen". Begleitet von den integrationsstrategischen Vorgaben der Verwaltungsspitze und dem Integrationskonzept der Stadt, will Erfurt sein Bildungsmanagement nutzen, um Zugewanderten schnell und passgenau Unterstützung zu bieten.

Das Konzept berücksichtigt Angebote zu Sprache, Kultur und Alltagsleben, die den Zugewanderten innerhalb von fünf Tagen unterbreitet werden können. Geplant ist eine Koordinierungsstelle, die die Bedarfe in den Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften sammelt und mit bestehenden Angeboten abgleicht. Haupt- und ehrenamtliche Maßnahmen sollen so besser auf die tatsächlichen Wünsche der Zielgruppe zugeschnitten und eine ausgeglichene Angebotslandschaft geschaffen werden. Um Austausch und Qualifikation zu fördern, möchte die Stadt Erfurt kommunale Anbieter, Bildungsträger und Akteure der Zivilgesellschaft enger miteinander vernetzen.

Bei ihrem Vorhaben profitiere die Bildungsstadt von bestehenden strategischen Zielsetzungen, eigens entwickelten Datenerfassungssystemen und externen Bildungsnetzwerken. Bereits eingespielte interne Kommunikationswege, transparentes Handeln und Teilhabemöglichkeiten für die Bürgerinnen und Bürger würden die Arbeit zusätzlich erleichtern, sagte Hass. 

Geflüchtete willkommen heißen 

Am Ende der Themenreihe ging es um Willkommenskultur und die interkulturelle Öffnung in der Verwaltung. Ein Vorreiter dieser Idee ist Stendal. Integrationskoordinator Björn Malycha berichtete, wie sich der Landkreis auf den Weg zu einer offeneren Verwaltung gemacht hat. Nachdem im Jahr 2011 ein Rahmenplan zur Integration von Zugewanderten verabschiedet wurde, nahm der ländlich geprägte Kreis und die Stadt Stendal an einem Projekt der Schader-Stiftung teil. Ziel war es, Abwanderung und Fachkräfteengpässen durch eine verbesserte Integration entgegenzuwirken. Ein zentraler Bestandteil dieses Vorhabens war die interkulturelle Öffnung der Stendaler Verwaltung. "Wir wollten das Ankommen und Leben für Zugewanderte in der Hansestadt erleichtern. In der Arbeitsgruppe stellten wir uns die Frage, in welche Richtung sich die Kultur in der Verwaltung entwickeln muss, um den Menschen offener und auf Augenhöhe begegnen zu können", sagte Malycha.

Seitdem ist es gelungen, das Thema fest in der Verwaltungskultur zu verankern. Ein zentraler Erfolgsfaktor sei die uneingeschränkte Unterstützung der Führungsebene gewesen. Nur, wenn ersichtlich ist, dass das Vorhaben tatsächlich von oben gewollt ist, könne man Zweifel und Widerstände aus dem Weg räumen und alle Beteiligten motivieren, an einem Strang zu ziehen, sagte Malycha.

Heute, in der aktuellen Zuwanderungssituation, profitiert der Landkreis Stendal von seinem frühzeitigen Engagement und den geschaffenen Strukturen. Hierzu gehören der zweimal wöchentlich tagende "Stab Asyl", regelmäßige Integrationskonferenzen und kreisweite Netzwerke. Die "offene Verwaltung" ist dabei aktueller denn je. In Seminaren und Weiterbildungsangeboten zu interkultureller Kommunikation, Sprache und Diversity verschaffen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Hintergrundwissen über Herkunftsländer und Lebensweisen vor Ort. Mehrsprachige Stadtpläne und leicht verständliche Piktogramme erleichtern Zugewanderten das Ankommen und helfen ihnen, sich zurechtzufinden. 

Was kann Bildungsmanagement leisten? 

Die Themenreihe zeigte: Kommunales Bildungsmanagement ist in seiner Vielfalt geeignet, Geflüchteten Integrationsangebote auf verschiedenen Ebenen zu unterbreiten. Das zivilgesellschaftliche Engagement in Vereinen, Initiativen, Nachbarschaften, Jugendclubs und anderen Organisationen erweitert die Angebotspalette der öffentlichen und privatwirtschaftlichen Hand erheblich. Sie alle zusammenzubringen und zu koordinieren, ist Aufgabe der Kommunen.

Beste Voraussetzungen hierfür haben die Städte und Landkreise, die bereits aktiv ihre Bildungslandschaft steuern und weiterentwickeln. Alle anderen Kommunen können und sollten auf den in 2015 bei der Flüchtlingsaufnahme entstandenen Strukturen aufbauen. Im Eiltempo vereinfachte Kommunikationswege, zusammengeführtes Wissen und fachbereichsübergreifende Zusammenarbeit haben Selbstbild und Innovationsbereitschaft in der Verwaltung positiv beeinflusst. Die Kommune wurde in der Öffentlichkeit als gestaltender Akteur des Gemeinwesens wahrgenommen. Diese neuen Formen der Verwaltungskultur können Anstoß für weitere gute Lösungen sein. Funktionierende Ansätze sollten deshalb systematisiert und verstetigt werden – weg vom Krisenmanagement hin zum strategischen  Integrationsmanagement.